Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Jungfrau geworden, und noch immer war sie mir wohlgesinnt. Sie war meine Heilerin und Helferin, und ich Tropf und Dummkopf habe sie ein zweites Mal verloren. Wohledler Herr, mir ist das Wunder widerfahren, dass mir Eure Tochter Engelin nun zum dritten Mal begegnet ist, und dieses Mal möchte ich sie nicht mehr verlieren. Ich bitte Euch, Herr Hinrich van Dyke, um die Hand der edlen Jungfer Engelin.«
Was immer der Handelsherr vorhatte, mir ins Gesicht zu schleudern ob der verletzten Ehre seiner Tochter, es wich einem freudestrahlenden, überaus großmütigen Lächeln.
Je nun, ich hatte die Burg am Hals.
Mit wohlgesetzten Worten nahm er meinen Antrag an und bat mich, mich zu erheben. Doch ich blieb auf den Knien, wie es sich gehörte - nun allerdings vor Line, der dornigen Rose, die ein Gesicht machte, als hätte man ihr Essig in den Wein geschüttet.
Musste ich sie denn noch immer überzeugen? Ich legte mein ganzes Herz in meine raue Stimme und sang für sie:
»Süße Trösterin, tröste meine Sinne
durch die Minne dein.
In der Minne ich brenne
von der Minne Feuer leid ich schmerzlich Not.
Hey, Mündlein rot,
willst du mich nicht trösten, sieh, so bin ich tot.« 26
Ihr Lächeln war bittersüß.
Castas neben ihr ebenfalls.
Und mir wurde die pfingstliche Erleuchtung zuteil.
Ich neigte kurz mein Haupt, stand auf und trat zur Hohen Tafel vor.
»Herr Ulrich von der Arken, Herr Anselm van Huysen. Ihr ehrtet mich gar wohl damit, dass Ihr mir die Burg meiner Vorväter zum Lehen geben wollt, doch ich möchte Euch bitten, sie der leiblichen und ehelichen Erbin des Herrn Eberhart, dem edlen Fräulein Casta, zum Kunkellehen zu geben. Ich bedarf des Lehens nicht, mein Weg führte mich weit über die Mauern dieser Burg hinaus. Dies hier ist mein Heim schon lange nicht mehr. Ich habe auf meinen Reisen gelernt, was notwendig war, ja sogar noch viel darüber hinaus. Ich habe den Wandel erkannt, der die Welt verändern wird. Nicht der Schweifstern hat ihn angekündigt, kein gefallener Stern hat ihn bewirkt, sondern er vollzieht sich im Herzen und im Verstand der Menschen. Nicht in fest ummauerten Burgen und harten Panzern liegt die Zukunft. Sie liegt im Handel und im Aufbruch in fremde Länder. Darin habe ich meine Aufgabe gefunden, und dabei werden mich meine Herrin und mein Freund begleiten.«
Van Dyke hörte ich empört schnaufen, alle anderen schwiegen. Und dann stand meine Herrin rechts neben mir und Ismael links. Line nahm meine Hand.
Ulrich sah uns drei an und schüttelte kaum merklich den Kopf.
Ich lächelte ihn an und sagte leise: »Nimm es an, Ulrich, als Dank für deine Freundschaft und Treue.«
Er rieb sich sein vernarbtes Gesicht mit beiden Händen.
Der Stiftsherr behielt eine unbewegte Miene.
»Ihr könnt es noch immer dem Herrn van Dyke geben«, murmelte er.
»Um Gottes willen, seid still«, zischte Engelin ihm zu, und er schrak zusammen.
Um Ulrichs Mundwinkel zuckte es verdächtig.
»Nun gut. Also - da der Herr Hardo von Langel das Lehen zu Gunsten des edlen Fräuleins abweist, mag Casta von Langel es als Kunkellehen erhalten. Herr Gottfried von Fleckenstein als ihr Vormund mag vortreten.«
»Puh!«, stöhnte Line, als wir zurücktraten und es den Männern überließen, die Verhandlungen zu Ende zu führen. Casta strahlte, versuchte es aber zu verbergen. Line grinste ganz offen, van Dyke grollte, sagte aber nichts.
Kurz darauf verließ Ulrich die Hohe Tafel, kniete vor Casta ebenso demütig wie ich vorhin vor meiner Herrin nieder und bat sie um ihre Hand.
Die Dörfler begrüßten uns mit lautem Jubel, als Ulrich mit Casta und ich mit Engelin von der Burg geritten kamen, um die Felder zu umrunden. Und noch mehr bejubelten sie es, dass wir uns schließlich ihrem Fest auf dem geschmückten Platz vor der Kirche anschlossen. Ismael tanzte übermütig mit jedem weiblichen Wesen, dessen er habhaft werden konnte, ob alte Vettel oder junge Maid. Ännchen tat das Nämliche mit allen Männern, Hinrich van Dyke hatte seinen Groll über den Verlust der Burg heruntergeschluckt, und nach einigen Humpen Biers schwenkte er eine dralle Winzerin über den mit frischem Grün geschmückten Dorfplatz. Selbst Ida und Jonata ließen sich von der Heiterkeit anstecken. Und als mir Dietrich die Laute brachte - nun, da sang ich für alle, vor allem aber für meine Herrin, die Lieder der Minne.
Nachspiel: Ein minniglich Lied
Gesungen von Frau Engelin
Der Oktoberwind, noch lau und sonnenträchtig, wehte durch das
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