Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Fenster. Ich blickte in den Garten, wo unter dem Oleander mein Herr sich mit einem seiner Kompagnons unterhielt. Die Brise drückte mein Gewand an meinen schon leicht gerundeten Leib. Ein Grund, warum wir unsere Reise nach Alexandria auf das nächste Frühjahr verschoben hatten, wenn das Kind geboren sein würde.
Vier Monate wohnten wir in dem geräumigen Haus auf der kleinen Insel Giudecca in der Lagune, das Hardo vor zwei Jahren gekauft hatte, um seinen Großeltern ein Heim zu geben. Ich konnte vom Altan aus den Kanal sehen, der sich zwischen den engen Bauten Venedigs hindurchwand, die Boote, die emsig von hier nach dort eilten, den hohen Campanile und den prachtvollen Palast des Dogen.
Doch mochte die Aussicht noch so bewundernswert sein, es war Hardo, der mein Herz tagtäglich mit Freude erfüllte. Vor allem wenn ich ihn wegen der Rechnungsbücher auszankte, die mir nicht ordentlich genug geführt waren, die Lagerbestände an Spezereien bemäkelte, über die Vielzahl der gängigen Münzen maulte und seinen Frühstücksbrei anbrennen ließ. Letzteres allerdings entsprang selbstverständlich nicht meiner Unfähigkeit zu kochen, nein, das Anbrennen hatte ich zur Kunst erhoben.
Er war mir ein großzügiger Gatte, und nie klagte er über meine Neugier, wenn es darum ging, etwas über die Geschäfte zu erfahren, die er tätigte. Ich hatte ein hervorragendes Gefühl für Zahlen, noch besser aber war meine Einschätzung der Warenqualitäten. In den vergangenen Jahren
hatte ich im Haushalt meines Vaters dazu eine ganze Menge gelernt. Aber selbstverständlich nörgelte Hardo beständig, dass ich ihm lästig fiel, wenn ich meine angeblich besserwisserische Nase in die Säcke und Kästen steckte. Ja, er erdreistete sich sogar hin und wieder anzumerken, dass ein Weib kaum fähig sei, die zehn Finger an ihren Händen abzuzählen.
Ich gab ihm jedoch immer mit gleicher Münze heraus, dem Gimpel, der seine Haare in Zöpfe flocht und sein Wams mit Fuchsschwänzen schmücken ließ. Aber als er mir angeboten hatte, sich das Haupt scheren zu lassen, hatte ich ihm damit gedroht, mit dem Barbiermesser noch ganz anderen Zierrat von ihm zu entfernen.
Ich weidete meine Augen doch so gerne an ihm.
Und liebte es, ihn mit seiner Eitelkeit zu necken.
Und noch viel schönere Neckereien fanden wir, wenn es um das Tanderadei ging.
Seid also versichert, ich liebe meinen Gatten von Herzen.
Hardos Geschäfte blühten, und die Handelsbeziehung nach Köln zum Handelshaus van Dyke versprach für beide Seiten ungemein fruchtbar zu werden. Mein Vater hatte sich damit abgefunden, dass er nun doch keine verwandtschaftlichen Beziehungen zum Adel hatte. Aber Ulrich hatte ihm die Burg als offenes Haus angeboten und würde ihn zu jeder Geselligkeit einladen, die er und Casta veranstalten würden. Einzig die Tatsache, dass der Ritter ihm auf Hardos Anraten seinen Secretarius abgeschwatzt hatte, mochte ihn verstimmen. Aber Puckl - Sebastian - hatte alle Fähigkeiten, um der nächste Burgvogt zu werden. Mein Vetter war so glücklich über diese Fügung, dass er fast über seinen Buckel hi nausgewachsen wäre. Casta hingegen hatte Ännchen zu ihrer Kammerjungfer gemacht, was darauf hoffen ließ, dass sich deren Lebenswandel zum Besseren wenden würde. Ismael bedauerte zwar, dass sie uns nicht begleitete, aber weder sein noch Ännchens Herz waren nachhaltig gebrochen. Er
war inzwischen wieder mit Hardos Geschäften betraut, die er mit großer Spitzfindigkeit führte. Einen kleinen Gewinn hatte mein Gatte ihm auch bereits zu seiner eigenen Verfügung überlassen, und da Ismael ein geschickter Händler war, hegten wir den Verdacht, dass er, wenn wir dereinst diese Welt verlassen würden, einen weit größeren Reichtum angesammelt haben würde als Hardo selbst.
Mein Gatte war nun alleine im Garten, sein Geschäftspartner war gegangen. Und wie so oft, wenn er über etwas gründlich nachdachte, warf er lässig den Eisenbrocken mit der rechten Hand auf und ab. Ich hatte den Stern an mich genommen und ihn Hardo wiedergegeben, als ich ihm die Empfängnis unseres Kindes mitteilte. Einen Glücksstern nannte ich ihn, und auch er konnte mich nicht daran hindern, daran zu glauben.
Dennoch, wir beide hatten oft darüber gesprochen, welche Bedeutung die Sterne für die Menschen hatten. Hardo vertrat so seine ganz eigene Theorie, wie weit das Schicksal des Menschen gelenkt wird. Für ihn scheint es am ehesten so, dass wir von unseren eigenen Wünschen nach
Weitere Kostenlose Bücher