Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel des Schicksals

Das Spiel des Schicksals

Titel: Das Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. R. Powell
Vom Netzwerk:
Stirn. Was immer sie erwartet hatte, das war es nicht.
    »Caroline und Adam Harper. Meine Eltern.« Die Uhr tickte weiter. Tick-tack, tick-tack. »Sie starben nämlich nicht bei einem Autounfall, nicht wahr? Jemand hat sie erschossen.«
    Tick-tack, tick-tack, tick-tack. Bel stieß einen leisen, unterdrückten Laut aus. Sie fuhr sich mit der Hand an die Kehle. »Woher … ? Wo … ? Mit wem hast du gesprochen ?«
    »Also ist es wahr«, sagte Cat flach. Sie sah die Wolke aus Haaren, das bittere Blut, braune und cremefarbene Spiralen. Das Arkanum hatte nicht gelogen.
    Bels Hand flatterte immer noch vor ihrem Hals. »Es tut mir leid, Cat, ich … Mein Gott, ich dachte … es sei besser so, verstehst du? Besser, wenn du es nicht weißt. Du warst so klein … «

    »Erzähl mir, was passiert ist.«
    »Lieber Himmel.« Unter der grellen Neonröhre, die die Küche erleuchtete, war Bels Gesicht eingefallen und müde. Die enge Polyesterbluse, die sie trug, hatte Schweißflecken unter den Achseln.
    Zitternd holte Bel Atem. »Es war ein Raubmord. Ein Einbruch, der schiefgegangen war. Irgendein Verrückter plant einen Diebstahl, wahrscheinlich einer ohne Grips im Hirn, und dann geht es daneben. Deine Eltern … Nun, sie haben ihn überrascht.«
    »Hat man … hat man denjenigen gefasst, der es getan hat?«
    »Nein. Es hätte jeder x-beliebige kleine Straßenräuber sein können. Aber ich vermute, dass der Mistkerl sowieso tot im Rinnstein lag, noch bevor das Jahr um war. Das hoffe ich jedenfalls.«
    Cat schob ihre Tasse weg. Ihr war übel.
    Bel sprach schnell weiter, nervös. »Vielleicht hätte ich dir die Wahrheit sagen sollen, aber wie erklärt man so etwas einer Dreijährigen? Ich wollte nicht, dass du vor lauter Angst vor Männern mit Gewehren und Pistolen nicht mehr schlafen kannst … Ich wollte es dir sagen, wenn du älter geworden warst, aber irgendwie schien es dir gut zu gehen, und ich dachte, lassen wir’s dabei. Besser nicht daran rühren.«
    Tick-tack, tick-tack, tick-tack.
    »Aber ich habe gesehen, wie es passiert ist«, murmelte Cat. »Ich habe gesehen, wie sie getötet wurden. Ich … ich kann mich wieder daran erinnern.«

    Bels Stimme war sehr sanft. »Nein, Liebes«, sagte sie. »Nein, das ist unmöglich. Du hast in dieser Nacht bei Nachbarn geschlafen, Gott sei Dank. Du hast wahrscheinlich … ich weiß auch nicht, irgendjemanden darüber reden hören, als du klein warst. Vermutlich hast du es all die Jahre verdrängt, und jetzt … nun, irgendetwas hat die Erinnerung wieder heraufbeschworen und dir ein falsches Bild geliefert. Das Gehirn kann uns ziemlich heftige Streiche spielen.«
    Cat merkte, dass sie wieder weinte. Es war ein trockenes, fast mechanisches Schluchzen, dem sie nicht Einhalt gebieten konnte. Danach verschwamm alles. Wie durch einen Nebel sah sie Bel an der Tür mit jemandem flüstern. Dann wurde sie hochgehoben und in ihre Wohnung getragen, wo Bel sie auszog und wie ein kleines Kind ins Bett brachte. Wieder und wieder flüsterte sie ihren Namen, wie ein Schlaflied. Und obwohl Bels Umarmung nach billigem Parfüm und Zigarettenrauch roch, war es der Duft nach Äpfeln, der Cat in ihren Traum begleitete.

    Das Erwachen am nächsten Morgen war das Schlimmste, was Cat je erlebt hatte.
    Sie wusste nicht genau, wie sie reagiert hätte, wenn sie die Wahrheit über den Tod ihrer Eltern auf eine normale Art und Weise herausgefunden hätte, wenn sie etwa zufällig jemanden belauscht oder einen alten Zeitungsausschnitt gefunden hätte. Natürlich wäre sie wütend gewesen, und auch traurig, aber vermutlich wäre es eher so gewesen, als hörte man eine Geschichte aus dem Leben
eines anderen Menschen. Immerhin hatte sie hart daran gearbeitet, ihren Verlust zu verdrängen, bis ihr die Behauptung, man könne nicht vermissen, was man nie gekannt habe, in Fleisch und Blut übergegangen war. Sie hatte fast daran geglaubt. Aber die Sechs der Kelche hatte ihr Erinnerungen zurückgegeben, die so glänzend und so überirdisch schön waren, bis zum Rand angefüllt mit Liebe, dass man sie nie wieder verlieren konnte.
    Und wenn sie den Erinnerungen an den Weihnachtsbaum und die Torte und an den ganzen Rest vertraute, dann musste sie auch jener anderen Erinnerung Glauben schenken. Der Erinnerung, die sie nicht haben sollte, nicht haben konnte. Einer Erinnerung an eine dritte Person, die sie in jener letzten Nacht im Wohnzimmer belauscht hatte, einer Erinnerung an den stotternden Mann. Es ist das einzige Spiel. Und ich

Weitere Kostenlose Bücher