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Das Spiel des Schicksals

Das Spiel des Schicksals

Titel: Das Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. R. Powell
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gänzlich genießen. Was sie wirklich wollte, wartete im Haus auf sie, rief ihren Namen, und je weiter sie in den Garten hineinwanderte, desto größer und weitläufiger schien das Gelände zu werden. Ihr war klar, dass dies keinen Sinn ergab. Hinter diesen Mauern war eine Stadt, und irgendwo dahinter eine andere Stadt. Aber das alles spielte keine Rolle. Zum ersten Mal, seit diese merkwürdige Sache mit dem Spiel der Trümpfe ihren Anfang genommen hatte, hatte sie das Gefühl, dass Träume wahr werden können.
    Endlich erreichte sie die Terrasse. Vor ihr befand sich
eine Glastür, aber genauso wie in den Fensterscheiben war die Reflexion darin verwirrend: Fragmente aus Licht, wo ihr eigenes Spiegelbild hätte sein sollen. Als sie darauf zuging, ergossen sich die Süße der Blumen und das Summen der Bienen, die warme Luft, der blaue Himmel und das gedämpfte Lachen über und durch sie hindurch. Und irgendwie schien sich auch das Glas zu bewegen, schien zu strömen, wie eine glitzernde Flüssigkeit, die ihr entgegenfloss und sie in sich aufnahm.

    Und dann, ganz plötzlich, war sie zu Hause. In ihrem ersten Zuhause, ihrem richtigen Zuhause, mit ihrer Mutter und ihrem Vater. Es war das kleine Reihenhaus, das in ihrer Erinnerung fast völlig verblasst wäre, wären da nicht ein paar Schnappschüsse und hier und da eine Bemerkung von Bel gewesen. Sie saß zu Füßen ihrer Mutter im Wohnzimmer, und neben ihr stand ein Spielzeuglaster, aber der interessierte sie nicht sonderlich. Sie betrachtete den Teppich, dessen Muster aus cremefarbenen und braunen Spiralen sie faszinierte. Wie Eiskrem. Sie steckte ihren Finger in den Flor und saugte dann daran, nur für den Fall. Etwas kitzelte sie. Es war ihre Mutter, die sich über sie beugte und sie küsste und dabei mit ihrem langen Haar Cats Gesicht streifte. Das Haar war glänzend und weich und duftete nach Äpfeln.
    »Wo ist mein kleines Kätzchen?«
    Sie rappelte sich auf ihre tollpatschigen Beinchen und rannte auf Daddy zu, der im Türrahmen stand, sie aufhob und durch die Luft schwang. Er prustete in ihren Nacken,
bis sie vor Kichern und Quietschen ganz atemlos war. Und über seine Schulter hinweg konnte sie die Diele sehen und den kleinen Garten dahinter mit ihrer orangefarbenen Plastikschaukel und Mums Blumen. Aber sie waren gar nicht da, da war nur ein verschwommener Fleck, glänzend und so hell, dass es in den Augen wehtat. Doch das machte nichts, nichts spielte eine Rolle, denn sie war in Sicherheit, zu Hause bei Mum und Daddy, wie es immer gewesen war und wie es immer sein würde, immer, immer, immer …
    Und dann war Weihnachten. Weihnachten mit einem echten Baum voller Goldglitzer und Schokoladengeld und bunten Karten auf allen Regalen. Das Geld und die Karten erinnerten sie an etwas, aber dann kam Mummy mit einem Berg voller Geschenke, und sie vergaß es wieder, denn das Papier war glatt und raschelte und sie konnte hindurchstapfen wie durch Pfützen … und dann hatte sie Geburtstag, mit noch mehr Geschenken, einer riesigen rosa Torte und Kerzen, die sie nicht anfassen durfte, die aber das Schönste waren, was sie je gesehen hatte, und deshalb zündete Daddy sie noch einmal an und blies sie aus, zündete sie an und blies sie aus, wieder und wieder und wieder, nur für sie.
    So viele Momente … einige von ihnen zuckten vorbei, so schnell wie der Blitz, andere verweilten, träge und genüsslich, aber sie alle hatten eins gemeinsam: Es waren die besten Momente, die vollkommensten … Manchmal war sie das Kätzchen, stolperte über den Boden, und manchmal war sie Cat und schaute aus sehr großer Entfernung
zu. Etwas daran beunruhigte sie, aber nur ein bisschen, wie ein Juckreiz an einer Stelle, die man mit der Hand nicht erreichen konnte. Sie wusste, dass sie die Unruhe ausschließen, sie beiseiteschieben konnte, aber das kam ihr nicht richtig vor, fast so, als ob sie diese Unruhe brauchte …
    Und schließlich kam der Nachmittag, an dem sie im Schlafzimmer von Mummy und Daddy spielte. Sie spielte Verstecken unter dem Bett. Aber jemand war schon vor ihr da gewesen und hatte selbst etwas versteckt: Eine Streichholzschachtel steckte im Lattenrost. Und darin befand sich etwas Rundes, Dunkles, Glänzendes. Ein geheimer Schatz!
    Etwas war wichtig an diesem Schatz, etwas, an das sie sich erinnern wollte, und so nahm sie die Münze mit zum Fenster, obwohl das Licht dort zu hell und zu gleißend war und in den Augen brannte. Aber sie tat es trotzdem, und diesmal schaute sie

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