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Das Spiel - Laymon, R: Spiel

Das Spiel - Laymon, R: Spiel

Titel: Das Spiel - Laymon, R: Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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nachzusehen, ob wirklich alle gegangen waren und um das Licht auszuschalten. Sie tat das nicht gerne. Weder sie noch Don rissen sich um diese Aufgabe. Allein war es ziemlich gruselig da oben.
    Es war zu still. Es gab zu viele dunkle Ecken. Zu viele Orte, an denen sich jemand verstecken konnte.
    Es war einfach viel zu unheimlich.
    Besonders, wenn man die Geschichte der alten Miss Favor kannte. Sie war Janes Vorgängerin als Bibliothekarin gewesen und dort oben an einem Herzanfall gestorben. Sie war tot umgefallen, als sie gerade das Licht ausmachen wollte. Am darauffolgenden Morgen hatte eine Teilzeitkraft ihre Leiche gefunden. Wenn man Don Glauben schenken wollte, war sie von Ratten »angeknabbert« worden. Er kannte die arme Teilzeitkraft, die Miss Favor gefunden hatte. »Sie war total geschockt. Total. Sie hat nie wieder einen Fuß in die Bibliothek gesetzt.«
    Tagsüber war es nicht so schlimm, in den ersten Stock zu gehen. Abends eigentlich auch nicht, zumindest, wenn
noch ein paar Leute dort nach Büchern suchten oder an den Lesetischen saßen. Leider war um diese Zeit normalerweise niemand mehr dort.
    Obwohl sie sich gegenseitig ihre Angst nicht eingestehen wollten, gingen Jane und Don üblicherweise gemeinsam nach oben, um das Licht auszuschalten. So war es viel leichter. Sehr viel leichter.
    Aber heute Abend würde sie allein hinaufgehen müssen.
    Herzlichen Dank, Don!
    Sie hatte es nicht besonders eilig.
    Noch einmal zog sie den Brief und die Fünfzigdollarnote aus dem Umschlag und sah sich beides genau an.
    Sie hatte noch nicht oft einen größeren Schein als einen Zwanziger in der Hand gehabt. Der Fünfziger wirkte seltsam ungewohnt. Auf der einen Seite war ein Porträt von Präsident Grant, auf der anderen das Kapitol der Vereinigten Staaten. Der Schein sah echt aus.
    Und sie war der Meinung, dass sie ihn behalten durfte. Schließlich hatte er in einem Umschlag mit ihrem Namen gesteckt.
    Warum sollte mir jemand fünfzig Dollar schenken?
    Sie fragte sich, ob es wirklich ein Geschenk war. Oder vielleicht eine Bezahlung für echte oder nur eingebildete Dienstleistungen?
    Ein Vorschuss?
    Na toll, dachte sie, vielleicht erwartet er jetzt irgendwas von mir. Er denkt wohl, ich schulde ihm etwas, weil ich das Geld angenommen habe.
    Da täuscht er sich aber gewaltig.
    Sie las den Brief noch einmal.
    Liebe Jane,
     
    komm und spiel mit mir. Für weitere Anweisungen: Schau heimwärts, Engel. Du wirst es nicht bereuen. Liebste Grüße,
     
    MOG (Master of Games – Meister des Spiels)
    »Komm und spiel mit mir« klang nach einem quengeligen Kind: Komm raus und spiel was mit mir!
    Außerdem war »kommen« eine vulgäre Umschreibung für einen Orgasmus. »Spiel mit mir« hatte ebenfalls einen starken sexuellen Beigeschmack. Vielleicht war das Ganze eine anzügliche Einladung – Bezahlung inbegriffen.
    Er will mich ficken.
    Bei dem Gedanken verlor Jane beinahe die Fassung. Wut, Demütigung, Angst, Abscheu und eine unerwartete Welle der Erregung durchfluteten sie gleichzeitig und raubten ihr den Atem. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Ihr wurde ganz heiß.
    »Der Bastard«, murmelte sie. Hier hast du fünfzig Mäuse, jetzt komm und spiel mit mir.
    Aber vielleicht will er was ganz anderes, dachte sie.
    Vielleicht aber auch nicht.
    Ruckartig sah sie auf und ließ den Blick durch den Raum schweifen.
    Niemand zu sehen. Nur eine endlose Zahl von möglichen Verstecken: Zwischen den Bücherregalen, hinter Tischen, Stühlen, den Katalogschränken oder dem Fotokopierer.
    Oder vor meinem Pult.
    Sie schnellte aus dem Stuhl hoch, stemmte die Hände auf die Tischplatte und spähte über den Schalter.

    Niemand.
    Sie ließ sich wieder auf den Stuhl fallen.
    Ich sollte jetzt lieber verschwinden, dachte sie.
    Andererseits – wie gefährlich konnte einer sein, der ihr fünfzig Dollar schenkte?
    Außerdem schien er recht belesen zu sein. »Schau heimwärts, Engel« bezog sich bestimmt auf das Buch von Thomas Wolfe – einer von Janes Lieblingsromanen.
    Sie las diesen Teil noch einmal. »Für weitere Anweisungen: Schau heimwärts, Engel.«
    Weitere Anweisungen? Dieser Brief war nur der Anfang. Er hat noch mehr für mich in petto. Vielleicht will er mir die weiteren Anweisungen persönlich mitteilen.
    Vielleicht soll ich zu Hause in meinem Briefkasten nach weiteren Anweisungen suchen. Schau heimwärts.
    Vielleicht sind da noch ein Umschlag und ein weiterer Brief – und noch mal fünfzig Dollar.
    Vielleicht finde ich ja was in dem

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