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Das Spiel seine Lebens

Das Spiel seine Lebens

Titel: Das Spiel seine Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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geliebten Menschen. Selbst die Einfallslosesten bargen noch tausend verschiedene Schreckensszenarien und - schlimmer noch - tausend verschiedene Hoffnungen.
    Jessicas Gedanken wurden vom Ger äusch eines müde tuckernden Motors vertrieben. Der alte, verbeulte Chevy Caprice fuhr in die Auffahrt. Er sah aus, als hätte man ihn benutzt, um auf einem Golf-Übungsplatz die Bälle einzusammeln. Sie stand auf und eilte durch die Vordertür nach draußen.
    Paul Duncan war ein kr äftig gebauter, etwas rundlicher Mann mit grau melierten Haaren, die immer stärker zum Weiß tendierten. Er kam ihr im typischen, gemessenen Polizistenschritt entgegen. Auf dem Absatz vor dem Haus begrüßte er sie mit einem breiten Lächeln und einem Wangenkuss. »Hallo, meine Schönheit. Wie geht's dir?«
    Sie umarmte ihn. »Ganz gut, Onkel Paul«, sagte sie.
    »Du siehst fantastisch aus.«
    »Danke.«
    Paul sch ützte seine Augen mit der Hand vor der Sonne. »Komm, gehen wir rein. Es ist verteufelt heiß hier draußen.«
    »Gleich«, sagte sie und legte ihm die Hand auf den Unterarm. »Ich will erst kurz mit dir reden.«
    »Worüber?«
    »Den Tod meines Vaters.«
    »Das ist nicht mein Fall, Schatz. Du weißt doch, dass ich keine Morde mehr bearbeite. Außerdem gäbe das einen Interessenkonflikt - weil ich doch mit Adam befreundet war und so.«
    »Aber du bist doch bestimmt auf dem Laufenden.«
    Paul Duncan nickte gemessen. »Ja, bin ich.«
    »Mom sagt, die Polizei glaubt, er wäre bei einem versuchten Raubüberfall umgebracht worden.«
    »So ist es.«
    »Du glaubst das nicht, oder?«
    »Dein Vater wurde beraubt«, sagte er. »Seine Brieftasche war weg. Seine Uhr. Sogar seine Ringe. Der Kerl hat ihm alles abgenommen. «
    »Damit es wie ein Raubüberfall aussieht.«
    Paul l ächelte. Sanft - sie erinnerte sich, dass er auch bei ihrer Firmung, an ihrem sechzehnten Geburtstag und auf der Schulabschlussfeier so gelächelt hatte. »Worauf willst du hinaus, Jess?«
    »Findest du die ganze Geschichte nicht seltsam?«, fragte sie. »Siehst du keine Verbindung zwischen dieser Sache und Kathys Verschwinden?«
    Er stolperte einen Schritt r ückwärts, als hätten ihm ihre Worte einen leichten Stoß versetzt. »Was für eine Verbindung? Deine Schwester ist vom Gelände des Colleges verschwunden. Dein Vater wurde anderthalb Jahre später bei einem Raubüberfall ermordet. Wo siehst du da eine Verbindung?«
    »Glaubst du wirklich, dass das nichts miteinander zu tun hat?«, fragte sie. »Glaubst du wirklich, der Blitz hätte zwei Mal an derselben Stelle eingeschlagen?«
    Er schob die H ände in die Taschen. »Wenn du wissen willst, ob ich glaube, dass eure Familie das Opfer von zwei verschiedenen schrecklichen Tragödien geworden ist, lautet meine A n t -wort ja. So etwas kommt häufiger vor, Jess. Das Leben ist nicht fair. Gott geht nicht herum und verteilt das Pech gleichmäßig auf alle Menschen. Manche Familien kriegen im Leben kaum einen Kratzer ab. Andere kriegen mehr als ihren Teil. Wie ihr.«
    »Es war also Schicksal«, sagte sie. »Für dich ist es damit erledigt. Schicksal.«
    Er warf die H ände in die Luft. »Schicksal. Ein Blitz, der zwei Mal einschlägt - das sind deine Worte. Du bist die Schriftstellerin, nicht ich. Ich nenne es einfach eine Tragödie. Ich halte es für einen tragischen, irgendwie bizarren Zufall. Ich habe noch viel seltsamere Dinge gesehen. Genau wie dein Vater.«
    Die Haust ür wurde geöffnet. Mom stand auf der Schwelle. »Was ist denn hier los?«
    »Nichts, Carol. Wir haben uns nur unterhalten.«
    Carol sah ihre Tochter an. »Jessica?«
    Jessica sah Paul weiter mit durchdringendem Blick an. »Nur unterhalten, Mom.«
    Sie wandte sich ab und ging ins Haus. Paul Duncan sah ihr nach und seufzte unh örbar. Er hatte damit gerechnet, dass sie Probleme machen würde - Jessica hatte noch nie einfache Lösungen akzeptiert, selbst wenn es eine ganz einfache Antwort gab. Ja, er hatte gehofft, dass es nicht passieren würde, aber er hatte es auf jeden Fall kommen sehen.
    Er wusste nur nicht, wie er damit umgehen sollte.
    Mitternacht.
    Um zehn Uhr abends war Christian Steele unter die Decke gekrochen, hatte noch eine Viertelstunde gelesen und dann das Licht ausgeschaltet. Seitdem lag er bewegungslos auf dem R ücken und starrte die dunkle Decke an, obgleich an Einschlafen gar nicht zu denken war.
    »Kathy«, sagte er laut.
    Seine Gedanken wanderten ziellos umher, verharrten wie ein Schmetterling nur kurz bei einem Thema, bevor sie wieder

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