Das Spiel seine Lebens
mehr zu sehen. Er hatte keine Tasche, in die ein solches Dokument gepasst hätte. Folgerung: Mr. Landreaux hat diesen Vertrag jemandem bei TruPro Enterprises gegeben.«
»Diese Klarheit, mit der du deine Schlussfolgerungen ziehst«, sagte Myron. »Einfach unheimlich.«
Win l ächelte. »Wie es scheint, geht es dir wieder besser.«
Myron zuckte die Achseln.
»Wir gehen solche Sachen unterschiedlich an«, fuhr Win fort. »Was ich mit diesem Ungeziefer getan habe, bezeichnest du als Hinrichtung. Ich nenne es Vertilgung.«
»Du musstest ihn nicht töten.«
» Ich wollte ihn töten«, sagte Win ohne jegliche Erregung in der Stimme. »Und ich bezweifle, dass einer von uns ihm lange nachtrauern wird.«
Schon wahr, aber das Argument erleichterte Myron keineswegs. Er wechselte das Thema. »Wohin ist Chaz gegangen, nachdem er bei TruPro war?«
Behutsam biss Win eine kleine Ecke von einem Cracker ab. »Ehe ich weitererzähle, muss ich darauf hinweisen, dass Mr. Landreaux beim Verlassen des Gebäudes von einem Mann begleitet wurde, auf den die Beschreibung deines Freundes Aaron passt. Groß. Selbstbewusst. Durchtrainiert. Anzug ohne Hemd. Sonnenbrille, obwohl die Sonne schon längst untergegangen war.«
»Klingt nach Aaron.«
»Auf der Straße haben sich ihre Wege dann getrennt. Aaron stieg in eine Limousine. Chaz Landreaux ging zum Omni.«
»Welches Omni?«, fragte Myron. In Manhattan gab es mehrere Hotels dieser Kette.
»Das bei der Carnegie Hall. Landreaux traf seine Mutter im Foyer. Ihre Begegnung war sehr rührend. Mutter und Sohn umarmten sich. Beide weinten.«
»Hmm«, sagte Myron.
Die Kellnerin brachte die Speisen und Getr änke. Sie stellte sie auf den Tisch, kratzte sich mit ihrem Bleistift am Hintern und ging wieder in die Küche.
»Und wohin sind sie dann gegangen?«
»Nach oben. Sie haben sich etwas zu essen aufs Zimmer bestellt.«
Myron überlegte einen Augen Blick. »Was macht Chaz' Mutter aus Philadelphia hier?«
»Wenn ich mir ihre gemeinsame Erleichterung vor Augen führe«, sagte Win, während er eine Serviette aus dem Spender zog und sie auf seinem Schoß ausbreitete, »würde ich vermuten, dass Frank Ache sich bei seiner Überzeugungsarbeit an Chaz Landreaux eines Familienmitglieds bedient hat.«
»Eine Entführung?«
Win zuckte die Achseln. »Möglich. Frank hat zwei Leute losgeschickt, die dich umbringen sollten. Ich bezweifle stark, dass er zu zimperlich wäre, jemanden aus dem Getto entführen zu lassen.«
Stille.
»Wir sitzen ganz schön tief in der Kacke«, sagte Myron.
» Wohl wahr. Zu tief.«
Chaz hatte eine gro ße Familie. Wenn Frank ihm eine verpassen wollte, würde er sich an seine Geschwister halten. »Das klä ren wir morgen «, sagte Myron. »Ich bin mittags mit Herman Ache verabredet. Zwei Uhr. Der übliche Ort.«
»Soll ich auch kommen?«
»Auf jeden Fall.«
Win a ß etwas von seinem Salat. »Du weißt, dass das nicht leicht wird.«
Myron nickte.
»Herman Ache mischt sich nicht gerne in die Angelegenheiten seines Bruders.«
»Ich weiß.«
Win legte seine Gabel auf den Teller. » Wenn ich so kühn sein dürfte, einen Vorschlag zu unterbreiten.«
»Ich höre.«
»Frank Ache setzt zwei Profikiller auf dich an. Ihr vorzeitiges Ableben wird ihn kaum davon abbringen, es noch einmal zu versuchen.«
»Mhm. Und wie lautet dein Vorschlag?«
»Versuch, deine Verluste in Grenzen zu halten. Biete ihm ein Tauschgeschäft an. Sie behalten Landreaux, ziehen aber die Prämie auf deinen Kopf zurück.«
»Das kann ich nicht machen.«
»Doch, natürlich kannst du das. Du willst nur nicht.«
»Das ist Haarspalterei.«
»Du brauchst ihm nicht zu helfen.«
»Ich will ihm helfen«, antwortete Myron.
Win seufzte. »Man muss versuchen, auch die zu erleuchten, die im Dunkeln bleiben wollen. Hast du schon einen Plan?«
»Ich arbeite noch dran.«
»Fieberhaft?«
Myron nickte.
»Inzwischen kannst du mich ja mal darüber in Kenntnis setzen, was du von der Fotografin erfahren hast.«
Myron erz ählte von dem Treffen mit Lucy.
»Und wer hat nun die Nacktfotos gekauft?«, fragte Win.
»Da drängt sich mir ein Name auf«, sagte Myron.
»Und der lautet?«
»Adam Culver.«
»Kathys Vater?«
Myron nickte. »Überleg doch mal. Der Käufer war Mitte fünfzig. Er wollte auf der Stelle alle Abzüge und Negative haben. Er hat nichts dem Zufall überlassen.«
»Ein Vater, der seine Tochter beschützen will?«
»Das passt doch«, sagte Myron.
»Aber Kathy wurde seit über einem
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