Das Spiel seine Lebens
bisschen viel auf eigene Faust, aber das passt mir im Augenblick ganz gut in den Kram. Ich bin Cop. Ich muss mich an die Regeln halten. Sie nicht. Also haben Sie mehr Möglichkeiten. Aber das hier ist mein Revier, und ich mach hier nicht einfach nur den Statisten.« Er legte die Hände auf den Tisch. Sie waren groß und schwielig. Er trug keinen Ring. » Und jetzt will ich, dass Sie mir alles erzählen, Myron. Auf der Stelle. Nur wir beide. Es bleibt unter uns, darauf haben Sie mein Wort. Verschweigen Sie nichts. Verstanden?«
Myron nickte.
»Dann schieß los, Junge. Ich bin ganz Ohr.«
Myron zog das Pornoheft heraus und reichte es Jake. »Damit hat alles angefangen.«
28
In den Morgenzeitungen stand nichts von dem Mord an Nancy Serat, doch im Radio gab es erste Berichte über den Mord an einer jungen Frau. Es war nur eine Frage der Zeit. Myron fuhr die Route 280 in Richtung Osten, um dort den New Jersey Turnpike nach Norden zu nehmen. Eine Route von enormem touristischen Reiz. Fast, als würde man durch West-Beirut fahren. Leider beurteilten viele Leute New Jersey nach dieser Straße. Ge nauso gut konnte man die Sch önheit einer Frau nach der Größe ihrer Füße beurteilen.
Billy Joel sang im Radio »I love you just the way you are«. Wer mit Christie Brinkley verheiratet war, sinnierte Myron, hatte leicht reden.
Ausfahrt 16 W brachte ihn direkt auf den Meadowlands-Parkplatz. Mord und Intrigen waren ja sch ön und gut, aber mit der Agentur verdiente er sich seine Brötchen. Er hatte einen Termin bei OttoBurke. Otto erwartete eine Antwort auf seine Forderung zu Christians Vertrag. Myron hatte eine für ihn parat.
Er war über Nacht bei Jessica im Krankenhaus geblieben und hatte versucht, es sich auf einem Stuhl bequem zu machen, den man im Mittelalter als Folterinstrument benutzt hätte. Aber es war ihm egal gewesen. Er hatte ihr gern beim Schlafen zugesehen. Dabei waren Erinnerungen wach geworden. Er hatte sich immer gewünscht, dass sie eines Tages wieder miteinander schlafen würden, auch wenn er sich das etwas anders vorgestellt hatte.
Vor zwei Stunden war Jess aufgewacht. Kampflustig. Reizbar. Fordernd. Kurz gesagt: Ganz die Alte. Ehe ihr Bruder Edward mit ihr nach Hause gefahren war, hatte Myron ihr alles erz ählt, was er wusste - insbesondere über den Besuch im Fotostudio. Sie hatte ihm ein Foto von ihrem Vater für Lucy mitgegeben. Myron war überrascht, dass Jessica eins in der Brieftasche hatte. Noch überraschter war er jedoch, als er einen flüchtigen Blick auf ein vier Jahre altes Bild erhaschte, das sie schnell zu überblättern versuchte, damit er es nicht sah. Doch er hatte es gesehen. Und er wusste noch genau, wann es aufgenommen worden war. An ihrem letzten gemeinsamen Wochenende auf Martha's Vineyard. Nur sie beide. Braun gebrannt, glücklich, entspannt. Eine Grillparty in Win s Sommerhaus. Der Höhepunkt, bevor es unaufhaltsam abwärts ging.
Myron war nicht dazu gekommen, sich umzuziehen. Er sah aus, als h ätte er die ganze Nacht im Wäschekorb verbracht.
Otto empfing ihn in der Eigent ümerloge im ersten Rang des Titans-Stadions. Larry Hanson war auch da. Otto begrüßte Myron mit einem dürren Händeschütteln und einem breiten Lächeln. Mr. Sonnenschein. Larry winkte ihm nur kurz zu. Er sah Myron nicht in die Augen. Das war kein Wunder. Larry Hanson war ein zäher Brocken, ein grober Schreihals sogar, doch er bediente sich fairer Mittel. Er wollte niemanden betrügen, und was Otto jetzt machte, gefiel ihm nicht. Er sah fast aus, als versuchte er im Boden zu versinken.
»Bitte, Myron«, sagte Otto und breitete die Arme aus wie Carol Merill in Let's make a Deal, »setz dich, wo du willst.«
»Wie immer der perfekte Gastgeber, Otto.«
»Ich gebe mir alle Mühe, Myron. Schön, dass es mal jemand bemerkt.«
»Ironie, Otto. Das nennt man Ironie.«
Otto l ächelte unverdrossen weiter. Sein Spitzbart war genau wie immer - weder dichter noch dünner. Er muss ihn täglich stutzen, dachte Myron. Sie setzten sich auf zwei Plätze, von denen man aufs Spielfeld hinuntersah. Direkt über der FünfzigYard-Linie. So mancher Fan hätte für diese Plätze seine rechte Hand gegeben. Unter ihnen trainierten die Spieler. Myron entdeckte Christian, der gerade an die Seitenlinie ging. Er hatte den Helm abgenommen und bewegte sich mit hoch erhobenem Kopf. Christian wusste noch nichts vom Mord an Nancy Serat - die Polizei hatte ihren Namen noch nicht bekannt gegeben -, aber es würde nicht mehr
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