Das Spiel
höre ich hinter mir einen Motor aufheulen. Dutzende Steine prasseln über den Beton. Er ist da. Auf der Einfahrt. Erneut quietschen Reifen, und ich wirbele herum. Aus den Augenwinkeln sehe ich den Kühlergrill des Wagens auf mich zuschießen. Geradewegs auf mich zu.
Der schwarze Toyota prallt gegen meine Beine und schleudert mich gegen den Container. Mein Kopf fliegt nach vorn und knallt gegen die Motorhaube des Wagens. Ich höre ein Knacken, wie trockenes Holz in einem Kamin. Meine Beine sind zerschmettert. Ich schreie vor Schmerz auf. Meine Knochen werden zermahlen, und dann schiebt der Wagen den Container zurück. Metall knirscht gegen Metall, und ich stecke dazwischen. Meine Beine ... Mein ganzer Unterleib scheint in Flammen zu stehen. Ich habe das Gefühl, als wäre ich in der Mitte durchtrennt worden. Der Schmerz brennt wie verrückt ... Dann ebbt er plötzlich ab. Alles wird gefühllos. Die Zeit scheint plötzlich langsamer zu laufen. Mein Körper befindet sich in einem Schockzustand.
»Was ist bloß in dich gefahren?« brüllt jemand in dem Wagen.
Blut sickert mir aus dem Mund und tropft auf die Motorhaube. Bitte, Gott, la ß mich nicht ohnmächtig werden ... Durch mein linkes Auge sehe ich nur noch einen roten Schleier. Ich muß alle Kraft zusammennehmen, um den Kopf zu heben und durch die Windschutzscheibe des Autos zu blicken. Es sitzt nur eine Person im Auto ... Sie hält das Lenkrad fest umklammert. Der Page, der unser Geld genommen hat.
»Du hättest nur auf deinem Hintern sitzen bleiben müssen!« brüllt er und hämmert mit der Faust gegen das Lenkrad. Er schreit noch etwas, aber es klingt gedämpft, irgendwie erstickt, als würde jemand dir etwas zurufen, wenn du unter Wasser bist.
Ich versuche mir das Blut aus dem Gesicht zu wischen, aber mein Arm hängt schlaff an meiner Seite herunter. Ich starre durch die Scheibe auf den Pagen und weiß nicht genau, wie lange er schreit. Um mich herum wird alles still. Ich höre nur noch mein eigenes abgehacktes Atmen, ein rasselndes Keuchen. Es ist doch alles in Ordnung, oder? Mein Dad hat mir bei unserem ersten Campingausflug erzählt, daß jedes Tier weiß, wann es Zeit zu sterben ist.
Der Page hinter der Windschutzscheibe legt den Rückwärtsgang ein. Der Toyota bewegt sich unter meiner Brust. Ich greife mit den Fingern wie wild nach dem Scheibenwischer, nach allem, woran ich mich festhalten könnte. Ich habe keine Chance. Er gibt Vollgas, und der Wagen macht einen gewaltigen Satz rückwärts. Ich rutsche von der Motorhaube. Als mein Rücken gegen den Container stößt, drehen die Räder des Wagens wieder durch und schleudern einen Tornado von Steinchen und Dreck in mein Gesicht. Ich versuche aufzustehen, aber ich fühle nichts mehr. Meine Beine geben unter mir nach, und ich sacke auf den dreckigen Boden.
Vor mir kommt der Toyota mit einem heftigen Ruck zum Stehen. Doch er fährt nicht weg. Ich verstehe nicht. Mit meinem heilen Auge starre ich durch die Scheibe und sehe, wie der Page wütend den Kopf schüttelt. Dann höre ich ein mechanisches Klacken. Er legt einen Gang ein. Mein Gott! Er gibt Vollgas. Der Motor heult auf. Reifen graben sich durch den Kies. Dann fegt der rostige Grill des schwarzen Toyota direkt auf mich zu. Ich flehe ihn an, stehenzubleiben ... vergeblich. Ich lehne am Fuß des Containers und zittere am ganzen Körper. Der Wagen donnert vorwärts. Es ... es tut mir leid, daß ich dich da mit hineingezogen habe, Harris ... Ich sende ein stummes Stoßgebet zum Himmel, schließe die Augen und versuche mir den Merced River im Yosemite National Park vorzustellen.
7. KAPITEL
»Was meinen Sie mit tot? Wie kann er tot sein?«
»Das passiert, wenn man aufhört zu atmen.«
»Ich weiß, was es bedeutet, Arschloch!«
»Dann fragen Sie nicht so blöd.«
Der gutgekleidete Mann sank in seinen Sessel zurück und spürte, wie sich seine Lungen zusammenzogen. »Sie sagten, niemand würde verletzt«, stammelte er und bog beunruhigt eine Büroklammer auseinander, während er das Telefon ans Kinn preßte. »Das waren Ihre genauen Worte ...«
»Geben Sie mir nicht die Schuld«, wiederholte Martin Janos am anderen Ende der Leitung. »Er ist unserem Mann aus dem Capitol gefolgt. Der Junge hat Panik bekommen.«
»Deshalb mußte er ihn doch nicht gleich umlegen!«
»Ach nein?« fragte Janos. »Wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn Matthew ihm bis zu Ihrem Büro gefolgt wäre?«
Der Mann schwieg und wickelte die Büroklammer um seinen
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