Das Spiel
Demokraten. Cleverere Abgeordnete engagieren einen Berater für Spendengelder, der eine persönliche Datenbank für verläßliche Anhänger und potentielle Spender anlegt, und etwa ein Dutzend wahnsinnig-geniale Abgeordnete macht den Kotau und heuert Len Logan an, einen Experten unter den Spendenbeschaffern. Er ist unglaublich gut organisiert. Die »Anmerkungen« auf seinen Telefonlisten führen Einzelheiten auf wie: »Sie hat gerade ihre Behandlung gegen Brustkrebs hinter sich.«
»Ja, ich hab sie«, sagt Stevens, als das Telefon in meinem Ohr klingelt.
»Hallo ... ?« fragt eine weibliche Stimme.
Der Senator schiebt mir den Gelbschwanz hin und ich ihm den Hörer. Das läuft geschmeidiger als beim Ballett.
»Hallo, Virginia, wie geht es meiner Lieblingskämpfe-rin?«
Ich nicke beeindruckt. Wenn man den alten Freund mimen soll, hält man sich nicht lange mit Vorstellungen auf. Während Stevens einen zweiminütigen Galopp über die Erinnerungsrennbahn absolviert, vibriert eines der beiden Handys in meinen Hosentaschen. Das in meiner rechten finanziert das Büro des Senators. Das in der linken bezahle ich selbst. Beruflich und privat. Matthew bezweifelt, daß es in meinem Leben diesen Unterschied überhaupt gibt. Was er nicht begreift, ist, daß es keinen geben sollte, wenn man seinen Job so liebt wie ich.
Ein kurzer Blick bestätigt mir, daß der Senator noch redet. Ich greife in meine linke Tasche und überprüfe die Nummer auf dem Display. Anrufer-ID unterdrückt. Das gilt für alle, die ich kenne.
»Harris.«
»Harris, ich bin's, Cheese«, sagt mein Assistent. Seine Stimme bebt. Schon der Tonfall gefällt mir nicht. »Ich ... ich weiß nicht, wie ... Es geht um Matthew ... Er ist...«
»Matthew ist was?«
»Er wurde angefahren«, sagt Cheese. »Er ist tot. Matthew ist tot.«
Alle Muskeln in meinem Körper werden plötzlich schlaff, und mein Kopf fühlt sich an, als würde er sich von meinen Schultern lösen. »Was?«
»Ich gebe nur weiter, was ich gehört habe.«
»Von wem? Wer hat das gesagt?« Ich will die Quelle wissen.
»Joel Westman. Der weiß es von seinem Cousin bei der Capitol Police. Offenbar hatte jemand aus New-combs Büro seinen Parkausweis vergessen und mußte sich im Stripperland einen Parkplatz suchen. Auf dem Rückweg haben sie die Leichen gesehen ...«
»Es gab mehr als eine?«
»Anscheinend ist der Dreckskerl, der ihn erwischt hat, in Panik geraten und auf seiner Flucht gegen einen Telefonmast gerast. Er war auf der Stelle tot.«
Ich springe auf und fahre mir mit der Hand durchs Haar. »Das kann ich nicht glauben ... Wann ist das passiert?«
»Keine Ahnung«, stammelt Cheese. »Ich habe nur den Anruf bekommen. Harris, sie sagten, Matthew könnte versucht haben, Drogen zu kaufen.«
»Drogen? Nie im Leben ...«
Der Senator schaut zu mir herüber und fragt sich, was los ist. Ich tue so, als hätte ich es nicht bemerkt, und mache dann etwas, was man einem Senator gegenüber niemals tun sollte: Ich kehre ihm den Rücken zu. Es ist mir egal. Hier geht es um Matthew, meinen Freund ...
»Ist alles okay?« ruft der Senator, als ich zur Tür stolpere.
Ohne zu antworten, stoße ich die Tür auf, stürze aus dem Zimmer und taumele zur Treppe.
»Dann war auch noch irgendein Kerl vom FBI hier, der mit Ihnen reden wollte«, fährt Cheese fort.
Die Wände des Treppenhauses scheinen mich plötzlich zu erdrücken. Ich kann kaum noch atmen und zerre an meiner Krawatte.
»Wie bitte?«
»Er sagte, er hätte ein paar Fragen«, erklärt Cheese. »Er wollte so bald wie möglich mit Ihnen reden.«
Meine verschwitzten Handflächen gleiten über das Geländer, und meine Beine versagen mir kurz den Dienst. Ich gleite einige Stufen hinunter. Im letzten Moment halte ich mich fest und vermeide einen Sturz.
»Harris, sind Sie noch dran?« fragt Cheese.
Ich springe die drei letzten Stufen hinunter, stoße die Tür mit der Schulter auf und stehe an der frischen Luft. Sie hilft mir auch nicht. Mein Freund ist tot. Tränen treten mir in die Augen, und die Worte dröhnen in meinem Kopf. Mein Freund ist tot. Ich kann nicht glauben, daß er ...
»Harris, reden Sie mit mir«, bittet Cheese. Ich beiße die Zähne zusammen und versuche, die Tränen herunterzuschlucken. Es funktioniert nicht. Auf der Straße halte ich Ausschau nach einem Taxi. Es ist keins zu sehen. Ohne nachzudenken, laufe ich den Block entlang. Ich brauche Informationen. Vor der Union Station steht eine lange Schlange Wartender. Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher