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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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Motel eincheckt... Selbst in einer Großstadt würden sich die Leute das Maul zerreißen.
    Die geblümten Vorhänge sind zugezogen, aber ich sehe noch ein Stück des dunklen Himmels. Rechts davon befindet sich das Waschbecken, und während ich mir die Zahnbürste und Seife schnappe, die wir gestern auf einer Tankstelle gekauft haben, schalte ich das Bügeleisen ein, das ich mir vom Empfang geliehen habe. Unsere Anzüge sehen nach dem ganzen Gerenne aus, als hätten wir darin Baseball gespielt. Wenn wir die Sache durchziehen wollen, müssen wir entsprechend smart aussehen.
    Während sich das Eisen aufheizt, rufe ich vom Telefon auf meinem Nachttisch aus Vivs Zimmer an. Ich lasse es endlos klingeln. Sie geht nicht ran. Eigentlich überrascht mich das nicht. Nach allem, was wir gestern mitgemacht haben, dürfte sie erschöpft sein. Ich kenne das aus der Highschool. Der Radiowecker konnte eine Stunde fiepen, aber nichts hat mich hochgebracht, bis Mom an die Tür gehämmert hat.
    Ich ziehe die Hose an und schaue auf die Uhr. Selbst mit dem frühesten Flug trifft Janos erst in zehn Minuten in Rapid City ein. Dann hat er noch eine zweistündige Autofahrt vor sich. Das ist genug Zeit. Trotzdem sollte ich Viv langsam wecken.
    Ich schiebe die Kette zurück und öffne die Tür. Die frische Luft vertreibt den Mief etwas. Als ich nach draußen trete, prallt mein Knöchel gegen ein Hindernis, und ich segle nach vorn. Unmöglich! Er kann noch nicht hier sein ...
    Meine Wange scheuert unsanft über den Zementboden, obwohl ich versuche, den Sturz mit den Händen abzufangen. Hastig wirbele ich herum. Ich kann mir Janos' triumphierende Miene lebhaft vorstellen ... Dann höre ich die Stimme hinter mir.
    »Entschuldigung ... Tut mir leid.« Viv sitzt auf dem Boden und zieht ihre langen Beine zurück. »Alles in Ordnung?«
    »Ich dachte, du würdest noch schlafen.«
    »Ich kann nicht schlafen ... Jedenfalls nicht gut.« Sie blickt von ihrer Broschüre hoch. »Das macht nichts. Mom sagt immer, einige Dinge sind eben so. Ich bin eine schlechte Schläferin. So bin ich eben gebaut.«
    »Was machst du hier draußen?«
    »Mein Zimmer stinkt. Wie eine alte Scheune.«
    Ich rappele mich hoch. »Stehst du immer so früh auf?«
    »Die Pagenschule fängt um Viertel nach sechs an. Die Frau am Empfang ist zwar recht gesprächig, aber auch irgendwie cool. Ich habe eine halbe Stunde mit ihr geplaudert. Kannst du dir vorstellen, daß in ihrer Abschlußklasse nur zwei Kinder waren? Diese Stadt hat ein Problem.«
    »Du hast ...? Ich habe dir doch gesagt, du sollst mit niemandem sprechen.«
    Viv schrumpft in sich zusammen. »Ich habe ihr nur erzählt, ich wäre dein Au-Pair-Mädchen und würde mich um die Kinder kümmern.«
    »In einem blauen Hosenanzug?« Ich deute auf ihre Kleidung.
    »Das Jackett hatte ich nicht an. Sie hat es mir abgekauft. Außerdem war ich hungrig. Sie hat mir eine Orange gegeben.« Sie zieht die Frucht aus der Tasche. »Und eine für dich.«
    Sie gibt mir einen Plastikbeutel mit einer geschälten Orange.
    »Sie hat sie geschält?«
    »Sie hat darauf bestanden. Ich wollte sie nicht aufregen. Wir sind wohl ihre ersten Gäste seit dem Goldrausch.«
    »Sie hat dir also auch die Broschüre gegeben?«
    Viv schaut auf den verblichenen Prospekt. Er trägt den Titel: Die Homestead-Mine - Ein Claim für unsere Zukunft. »Ich hielt es für gut, ihn zu lesen. Das ist doch in Ordnung, oder?«
    Von der Tür zur Treppe kommt ein leises Knirschen.
    »Was war das ...?«
    »Psst!« sage ich.
    Wir überprüfen den Gang und folgen dem Geräusch. Das Treppenhaus liegt am anderen Ende. Es ist verlassen. Es knirscht wieder. Jetzt sehen wir auch die Quelle. Es ist eine Eismaschine. Eis, nichts weiter. Trotzdem kann mich das nicht beruhigen. »Wir sollten ...«
    »... hier verschwinden«, ergänzt Viv.
    Wir kehren in unsere Zimmer zurück. Nach vier Minuten Expreßbügeln bin ich abreisefertig. Viv wartet schon draußen. Sie ist wieder in einen der alten Touristenprospekte vertieft.
    »Alles klar?«
    »Harris, diese Mine solltest du dir ansehen. So was hast du bestimmt noch nie gesehen.«
    Ich brauche keine Broschüre, um zu wissen, daß sie recht hat, und auch wenn wir nicht wissen, was uns da erwartet, kann uns nichts aufhalten. Ich haste über den Flur, dichtauf gefolgt von Viv. Wonach Wendell auch buddeln mag, wir müssen es herausfinden.
    ***
    Die Treppe führt Viv und mich in die Empfangshalle des Golden House. Sie ist verlassener, als ich erwartet

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