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Das Spinnennetz

Das Spinnennetz

Titel: Das Spinnennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Roth
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mußte; daß auch der Rechnungen verfaßte; daß es seine Aufgabe war, Theodor zu überwachen. Und Trebitsch teilte mit, daß Theodor im Eifer dieses übertrieben, jenes falsch gesehen hatte. Oh, er besaß zuverlässige Augen und Ohren, der Jude Trebitsch.
    Theodor bereitete die Befreiung eines Untersuchungsgefangenen vor. Er fuhr nach Leipzig. Einer der Aufseher war Wachtmeister in Theodors Kompanie gewesen. Ihn wollte er für die Organisation gewinnen. Er teilte nach München gute Fortschritte mit. Und erhielt den Besuch eines Mannes mit dem schriftlichen Befehl, heute noch, spätestens morgen, auf das Gut Lukscha in Pommern mit fünfzig Männern abzureisen.

X
    Er war ohnmächtig, erbittert, rachelüstern. Er ging zu Trebitsch … War ein Theodor Lohse nicht unentbehrlich? Und Trebitsch lächelte. Er kämmte mit gespreizten Fingern seinen Bart. Es blieb nichts übrig, Theodor reiste.
    Auf dem Gut Lukscha in Pommern streikten die Landarbeiter. Der Freiherr v. Köckwitz rief nach Hilfe. Er war alt, der Freiherr v. Köckwitz. Er war verwitwet. Er hatte drei Söhne: Friedrich, Kurt, Wilhelm. Er war ein Jäger. Er schoß gut. Er schoß den ganzen Tag. Er besaß ein Waffenarsenal im Keller. Er war streng gegen sich und andere. Er empfing Theodor um die Mittagsstunde. Die Sonne brannte. Theodors Leute hatten eine Stunde Marsch hinter sich. Der Freiherr verlangte militärischen Schritt. Waren das Landstreicher? Ging man in Gruppen? Er forderte Viererreihen. Er dirigierte den Zug nach der großen Scheune. Sie lag eine Viertelstunde weiter. Theodor marschierte, erbittert, ohnmächtig, rachedurstig. Er kannte den Freiherrn v. Köckwitz.
    Jeder kannte ihn. Er hatte einen Arbeiter beim Holzfällen erschossen. Er bedrohte Sonntagswanderer mit schußfertigem Gewehr. In seinen Wäldern verschwanden erdbeerensuchende Kinder. Seine Söhne standen im Sommer hinter Hecken verborgen; erlauerten Ausflügler; schossen auf Wandervögel. Der jüngste Sohn war zwölf Jahre alt und zielte auf die Tauben der Förster. Freiherr v. Köckwitz hatte seine Frau ins Grab geärgert. Sie war eine geborne v. Zick. Ihr Großvater nachweislich bei der Post gewesen. Junger Adel von der Pferdepost. Sie starb an ihrem Großvater. Die Zeitungen schrieben über den Freiherrn v. Köckwitz. Die Gerichte ließen Anklagen verstauben, zerfallen. Staatsanwälte waren zu Jagden eingeladen. Untersuchungsrichter spielten Poker mit Kurt. Man kannte den Freiherrn v. Köckwitz. Man verspottete ihn. Man erzählte Köckwitz-Anekdoten. Jedes Jahr streikten seine Arbeiter. Immer halfen ihm Roßbach-Leute. Diese Sommerarbeit fürchtete man. Beim Freiherrn v. Köckwitz erhielt man zweimal täglich Essen. Graupensuppe und Schwarzbrot.
    Sie lagen in der Scheune, verärgert und hungrig. Am Nachmittag kam Freiherr v. Köckwitz und befahl: »Lassen Sie Ihre Leute singen! Ich liebe Gesang!« Sie sangen, sie arbeiteten, sie aßen Schwarzbrot und Graupensuppe, sie legten sich schlafen, sie standen beim ersten Morgenstrahl auf. Sie sangen.
    Einmal kam der Freiherr aufs Feld. Er war gut gelaunt. Er lud den Untersuchungsrichter ein. Er lud auch Theodor und die fünfzig ein. Er sprach mit Theodor. Schimpfte auf die Arbeiter. Sie waren Polacken. Kein Tropfen deutschen Blutes. Juden verführten sie. In dieser Gegend lebten überhaupt Juden, Polacken, rotes Gesindel. Es war zum Niederknallen.
    Niederknallen sollte man sie. In dieser Nacht brannte die große Scheune. Einer von Theodors Leuten hatte geraucht. Der Freiherr drohte: Drei Taglöhne weniger. Aber der Untersuchungsrichter verdächtigte die Landarbeiter. Man verhaftete zehn.
    Hundert zogen am nächsten Tage vor das Gut. Der Freiherr ließ Maschinenpistolen aus dem Keller bringen. Er verlor den Appetit. Er schloß die Fensterladen. Ohrfeigte den zwölfjährigen Wilhelm. Schon sah er sein Haus vernichtet. Seine Söhne gehängt. Sich selbst gefoltert. Er ging nicht mehr in die Felder. Er schlief in Kleidern, die Pistole neben sich. Er fürchtete sich vor vergifteten Speisen. Er fürchtete sich überhaupt.
    Theodor schlief im Hause. Nicht nur, weil die Scheune abgebrannt war. Wachen stellte Theodor auf. Die jungen Freiherren inspizierten. Der Alte war milde. Ein gütiger Greis. Er spendete für die Kirche. Er sah sich um, wenn er sprach. Er flüsterte.
    In solcher Stimmung war er zugänglich jedem Rat.
    Theodor war erbittert. Schickte man ihn weg? Wollte man seinen Namen untergehen lassen? Brennen sollte der Name Theodor Lohse in allen

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