Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)
Stunde klopften wir schon einmal an, und als Sie nicht öffneten, schauten wir herein, und Sie schliefen tief und fest.«
»Äh, ja, wirklich, schön, dass Sie wieder auf den Beinen sind«, sagte Dirk. »Bis jetzt hat man den Verrückten noch nicht gefasst, aber ich konnte ihn mir genau ansehen und werde ihn wiedererkennen, wenn sie ihn fangen. Ich hoffe, dass sie ihn für lange Zeit wegsperren.«
Bento sagte nichts.
Dirk deutete auf Bentos Bauch. »Sehen wir uns die Wunde an. Van den Enden meinte, ich solle nachsehen.« Dirk kam näher und bedeutete Clara Maria hinauszugehen.
Aber Bento trat sofort einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Es geht mir gut. Nicht gerade jetzt. Ich wäre gern noch ein wenig allein.«
»Also gut, dann kommen wir in einer Stunde wieder.« Dirk und Clara Maria warfen sich fragende Blicke zu und verließen das Zimmer.
Nun fühlte sich Bento sogar noch schlechter: diese Hände, die einander berührten und wieder auseinanderzuckten, damit er es nicht sehen würde – dieser vertraute Blick zwischen den beiden. Wenige Minuten zuvor waren sie noch seine engsten Freunde gewesen. Erst vergangene Nacht hatte Dirk ihm das Leben gerettet; erst vergangene Nacht hatte er Clara Marias Schauspielkunst bewundert, war von jeder ihrer Bewegungen verzaubert gewesen, von jedem koketten Kräuseln ihrer Lippen und dem Flattern ihrer Augenlider. Und urplötzlich empfand er Hass gegen die beiden. Es war ihm unmöglich gewesen, sich bei Dirk zu bedanken, er konnte nicht einmal seinen Namen aussprechen oder Clara danken, dass sie vergangene Nacht bei ihm gesessen hatte.
»Beruhige dich«, murmelte Bento. »Tritt einen Schritt zurück und betrachte dich aus größerer Entfernung. Sieh doch, wie deine Gefühle Karussell fahren – zuerst Liebe, jetzt Hass, dann Wut. Wie wankelmütig, wie launenhaft Leidenschaften doch sind. Sieh nur, wie du von den Handlungen anderer herumgeworfen wirst, erst hierhin, dann dorthin. Wenn du erfolgreich sein willst, musst du deine Leidenschaften dadurch überwinden, dass du deine Gefühle an etwas Unveränderliches, etwas ewig Währendes heftest.«
Abermals ein Klopfen an der Tür. Das gleiche, sanfte Klopfen. Konnte sie es sein? Dann ihre melodiöse Stimme: »Bento, Bento, darf ich hereinkommen?«
Hoffnung und Leidenschaft flammten auf. Augenblicklich fühlte Bento sich beschwingt und vergaß alles ewig Währende und Unveränderliche. Vielleicht war Clara ja allein, verändert, reuig. Vielleicht würde sie wieder seine Hand halten.
»Treten Sie ein.«
Clara Maria trat allein ins Zimmer. Sie hielt einen Zettel in der Hand. »Bento, das hier hat mir ein Mann für Sie gegeben. Ein fremder, aufgeregter, recht kleiner Mann mit einem starken portugiesischen Akzent, der immer die Straße hinauf- und hinuntergesehen hat. Ich glaube, er ist Jude. Er wartet vorn am Kanal auf eine Antwort.«
Bento riss ihr den Zettel aus der ausgestreckten Hand, faltete die Nachricht auseinander und überflog sie schnell. Clara Maria beobachtete ihn neugierig: Noch nie zuvor hatte sie Bento so begierig einen Text lesen sehen. Er las ihr den portugiesischen Text auf Holländisch vor:
»Bento, ich habe von vergangener Nacht gehört. Die ganze Gemeinde weiß davon. Ich möchte Sie heute sehen. Es ist wichtig. Ich stehe nahe an Ihrem Haus vor dem roten Hausboot an der Singel. Können Sie kommen? Franco.«
»Er ist ein Freund, Clara Maria«, sagte Bento. »Mein einziger Freund, der mir aus meinem alten Leben geblieben ist. Ich muss ihn treffen. Ich kann allein die Treppe hinuntergehen.«
»Nein. Papa sagte, Sie dürfen heute noch keine Treppen steigen. Ich werde Ihrem Freund bestellen, dass er in ein, zwei Tagen wiederkommen soll.«
»Aber er schrieb ausdrücklich ›heute‹. Es muss etwas mit vergangener Nacht zu tun haben. Meine Wunden sind ja nur Kratzer. Ich schaffe das schon.«
»Nein, Papa hat Sie meiner Fürsorge anvertraut. Ich verbiete es Ihnen. Ich werde ihn heraufbringen. Ich bin sicher, dass Papa nichts dagegen hätte.«
Bento nickte. »Danke, aber achten Sie bitte darauf, dass niemand auf der Straße ist – niemand darf ihn eintreten sehen. Seit meiner Exkommunikation darf kein Jude mehr mit mir sprechen. Er darf nicht gesehen werden, wenn er mich besucht.«
Zehn Minuten später kehrte Clara mit Franco zurück. »Bento, wann soll ich wiederkommen und ihn hinausbegleiten?« Nachdem sie von den Männern keine Antwort bekam, die vollauf damit beschäftigt waren,
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