Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)
inneren Zirkel Zugang zu Hitler – und diesem gehörte Rosenberg nie an.
Dennoch konnte niemand Alfred den erstaunlichen Erfolg seines Buches Der Mythus des zwanzigsten Jahrhunderts absprechen. Bis 1940 waren über eine Million Exemplare verkauft worden, und das Werk rangierte in Deutschland an zweiter Stelle hinter Mein Kampf . Andere Aufgaben gab es zuhauf: Alfreds Rolle als Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP erforderte häufige Treffen und öffentliche Auftritte. Seine Reden wichen nie nennenswert von dem Katechismus ab, den er in seinem Buch umrissen hatte: die Überlegenheit der arischen Rasse, die jüdische Bedrohung, die Reinheit des Blutes, die Gefahren unreiner Aufzucht, die Notwendigkeit, Lebensraum zu schaffen, und die von der Religion ausgehenden Gefahren. Unbarmherzig hackte er auf den Gefahren herum, denen das Reich durch die Juden ausgesetzt war, und vergaß nie, darauf zu beharren, dass die Judenfrage mit der Beseitigung sämtlicher Juden aus Europa gelöst werden müsse. Als es sich 1939 immer deutlicher herausstellte, dass kein Land die deutschen, polnischen und tschechischen Juden aufnehmen wollte, argumentierte er für eine Umsiedlung der Juden Europas in ein Reservat (ausdrücklich kein Staat) außerhalb Europas – zum Beispiel in Madagaskar oder Guyana. Zeitweise zog er Alaska in Betracht, befand dann aber, dass das dortige raue Klima den Juden zu sehr zusetzen würde.
1937 zitierte Hitler Rosenberg zu einem Gespräch.
»Rosenberg, ich habe hier meine offizielle Ankündigung Ihres Deutschen Nationalpreises in der Hand. Ich bin sicher, dass Sie sich an unser Gespräch über Ihre Nominierung erinnern – Sie nannten ihn den stolzesten Tag Ihres Lebens. Ich habe diese Zeilen persönlich abgesegnet. ›Alfred Rosenberg hat in seinen Werken in hervorragendstem Maße die Weltanschauung des Nationalsozialismus wissenschaftlich und intuitiv begründen und festigen geholfen. In einem unermüdlichen Kampf um die Reinerhaltung der nationalsozialistischen Weltanschauung hat er sich ganz besondere Verdienste erworben. Erst eine spätere Zeit wird voll zu ermessen vermögen, wie tief der Einfluß dieses Mannes auf die weltanschauliche Gestaltung des nationalsozialistischen Reiches ist.‹«
Alfreds Augen weiteten sich: Er war von Hitlers Großzügigkeit überwältigt.
»Und heute beabsichtige ich, Ihnen eine Aufgabe zuzuweisen, für die Sie wie geschaffen sind. Ich habe beschlossen, die Hohe Schule ins Leben zu rufen, die nationalsozialistische Eliteuniversität der Partei. Und Sie sollen deren Leitung übernehmen.«
»Ich bin zutiefst geehrt, mein Führer. Aber ich wusste bis jetzt noch gar nicht, dass eine Hohe Schule überhaupt geplant war.«
»Die Hohe Schule soll einst die zentrale Stelle der nationalsozialistischen Forschung, Lehre und Erziehung sein und in Nordbayern liegen. Ich stelle mir ein Auditorium mit dreitausend Plätzen vor, eine Bibliothek mit fünfhunderttausend Bänden und mehrere Außenstellen in verschiedenen Städten des Reiches.«
Alfred holte seinen Notizblock heraus. »Soll ich im Völkischen Beobachter darüber schreiben?«
»Ja. Mein Sekretär wird Ihnen das Hintergrundmaterial dafür liefern. Eine kurze Ankündigung über ihre Gründung und Ihre Berufung, ihr vorzustehen, wäre angemessen. Ihre erste Aufgabe – und das soll nicht veröffentlicht werden …«, Hitler senkte die Stimme, »… wird es sein, die Bibliothek der Universität einzurichten. Und tun Sie das schnell. Sofort. Die Bücher sind im Augenblick verfügbar. Ich möchte, dass Sie die Beschlagnahmung der Bestände aller jüdischen und freimaurerischen Bibliotheken in den besetzten Gebieten federführend übernehmen.«
Alfred war euphorisch: Diese Aufgabe war wirklich auf ihn zugeschnitten. Er machte sich sofort an die Arbeit. Bald begannen Rosenbergs Abgesandte, jüdische Bibliotheken in ganz Osteuropa zu plündern, und sie schickten Tausende seltener Bücher nach Frankfurt, wo Bibliothekare die besten Werke für die Bibliothek der Hohen Schule auswählten. Hitler plante auch ein Museum einer ausgestorbenen Rasse , wofür weitere wertvolle Bücher ausgewählt und schließlich dort ausgestellt werden sollten. Es dauerte nicht lange, bis Alfreds Mandat erweitert wurde, das nun sowohl Kunstwerke als auch Bücher umfasste. Wie ein unterwürfiges Hündchen, das um Aufmerksamkeit lechzt, schrieb er an Hitler zu dessen
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