Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
Vom Netzwerk:
Dissonanzen wegen Bento Spinoza verschwinden, wenn er nicht da ist, um sie selbst mitzuerleben?«
    »Der vergangene Abend war schmerzlich«, fuhr Gabriel fort. »Sarahs Vater leitete das Essen damit ein, dass er über dich sprach. Er war wieder einmal wütend, weil du unser lokales jüdisches Gericht übergangen und deinen Rechtsstreit an das holländische Zivilgericht weitergeleitet hast. Er könne sich an niemanden erinnern, sagte er, der das rabbinische Gericht auf diese Art und Weise beleidigt hätte. Das sei fast ein Grund für eine Exkommunikation. Ist es das, was du willst? Einen Cherem ? Bento, unser Vater ist tot, unser älterer Bruder ist tot. Du bist das Oberhaupt der Familie. Und dennoch hast du uns alle beleidigt, indem du dich an das holländische Gericht wandtest. Und die Wahl des Zeitpunkts! Hättest du nicht wenigstens bis nach der Hochzeit warten können?«
    »Gabriel, ich habe es immer wieder erklärt, aber du hast mir nicht zugehört. Nun höre noch einmal zu, damit du verstehst, worum es geht. Und vor allem versuche bitte zu verstehen, dass ich meine Verantwortung dir und Rebecca gegenüber ernst nehme. Berücksichtige mein Dilemma. Unser Vater, gesegnet sei er, war ein großzügiger Mann. Aber sein Urteilsvermögen ließ ihn im Stich, als er eine Bürgschaft für einen Schuldschein der trauernden Witwe Henriques unterschrieb, den dieser habgierige Wucherer Duarte Rodriguez in Händen hielt. Ihr Ehemann Pedro war nur ein Bekannter von Vater, nicht einmal ein Verwandter oder ein enger Freund, soviel ich weiß. Niemand von uns kannte ihn, und es ist mir ein Rätsel, weshalb unser Vater diese Bürgschaft übernommen hat. Aber du kennst Vater – wenn er Menschen in Not sah, streckte er sofort seine helfenden Hände aus, ohne an die Folgen zu denken. Als die Witwe und ihr einziges Kind im vergangenen Jahr an der Seuche starben, ohne die Schuld beglichen zu haben, versuchte Duarte Rodriguez – dieser erbärmliche Jude, der auf der Bima der Synagoge sitzt und dem bereits die Hälfte der Häuser in der Jodenbreestraat gehört –, seinen Verlust auf uns abzuwälzen. Er setzte das rabbinische Gericht unter Druck und forderte, dass die arme Familie Spinoza die Schuld von einem bezahlt, den wir nicht einmal kannten.« Bento hielt inne. »Das weißt du doch, Gabriel, oder?«
    »Ja, aber …«
    »Lass mich zu Ende erzählen, Gabriel. Es ist wichtig, dass du es weißt. Vielleicht wirst du eines Tages das Oberhaupt der Familie sein. Deshalb hat Rodriguez seinen Antrag beim jüdischen Gericht eingereicht, einem Gericht, in dem viele Mitglieder Vergünstigungen von Rodriguez empfangen, zumal er der bedeutendste Geldgeber der Synagoge ist. Sag mir, Gabriel: Würden sie ihn verärgern wollen? Natürlich verfügte das Gericht, dass die Familie Spinoza für die Schuld aufzukommen habe, weil ich, das älteste männliche Familienmitglied, das Alter von vierundzwanzig Jahren erreicht habe. Es geht dabei um eine Schuld, welche die Mittel unserer Familie bis an unser Lebensende abschöpfen wird. Sie verfügten auch, dass das Erbe, das unsere Mutter uns hinterlassen hat, für die Tilgung der Schuld an Rodriguez herangezogen werden soll. Kannst du mir so weit folgen, Gabriel?«
    Nach einem Nicken von Gabriel fuhr Spinoza fort: »Deshalb wandte ich mich vor drei Monaten an das holländische Gericht, weil ich größeres Vertrauen zu ihm habe. Zum einen hat der Name Duarte Rodriguez vor diesem Gericht keine Bedeutung. Und die holländische Gesetzgebung will, dass das Oberhaupt der Familie fünfundzwanzig und nicht vierundzwanzig Jahre alt sein muss, um die Verantwortung für eine solche Schuld übernehmen zu können. Da ich noch keine fünfundzwanzig bin, könnte unsere Familie verschont werden. Wir brauchen die Vermögensschulden unseres Vaters nicht anzuerkennen, und wir können das Geld bekommen, das unsere Mutter uns zugesprochen hat. Und mit uns meine ich Rebecca und dich – ich beabsichtige, dir meinen Anteil zu übertragen. Ich habe keine Familie und brauche das Geld nicht.
    Und noch ein Letztes«, fuhr er fort. »Die Wahl des Zeitpunkts. Da mein fünfundzwanzigster Geburtstag vor deiner Heirat liegt, musste ich jetzt handeln. Nun, sag mir, siehst du nicht ein, dass ich für die Familie durchaus verantwortungsvoll handle? Legst du keinen Wert auf Freiheit? Wenn ich nicht zur Tat schreite, werden wir unser ganzes Leben in Knechtschaft verbringen. Willst du das?«
    »Ich ziehe es vor, die Angelegenheit in der Hand

Weitere Kostenlose Bücher