Das spröde Licht: Roman (German Edition)
meinem Schenkel drückte sie mich in sich hinein, um mich zu trösten, um sich selbst zu trösten, um im Schmerz an unserer Liebe Halt zu finden.
So sanken wir zusammen in den Schlaf.
Im Traum war es ein Uhr morgens, und die Jungen riefen an. Jacobo blieben noch acht Stunden, falls er nicht doch zurückschreckte und es sich anders überlegte. Jacobo gehörte nicht zu denen, die leicht den Mut verlieren oder eine Entscheidung zurücknehmen, aber das Leben hat eine Macht, die an den Wahnsinn heranreicht. 2000 Fuß unter der Erdoberfläche gibt es noch lebende Bakterien, habe ich gelesen. Am Telefon war Jacobo, der sich anscheinend zusammenreißen musste, um nicht zu weinen, oder vielleicht sogar weinte. Er bat mich nicht, ihm Sara zu geben. Ich hatte den Eindruck, er wolle mir etwas sagen, wusste aber nicht wie. Da sah ich mich plötzlich wieder in den Flammen, sah den 59-jährigen brennenden Mann diesmal zur Mittagszeit still am Ufer des East River entlangjoggen. Eine Müllbarkasse zog vorbei. Der Müll war durch ein Netz abgesichert, und Möwen umschwirrten das Schiff, das eine lange Fahne sauren Geruchs hinter sich her zog. Ich wachte auf, und es war erst elf Uhr fünfzig in der Nacht, und die Jungen hatten nicht angerufen.
James und Debrah lagen auf der Matratze im Wohnzimmer. Venus war in Jacobos Zimmer. Amber war bei Arturo geblieben, und ich hörte ganz leise seine Gitarre und zwischendrin vielleicht Geräusche der Computertastatur. In dieser Nacht rasten keine Hells Angels vorbei. Dann und wann ging jemand auf die Toilette und legte sich wieder hin.
Sara lag auf dem Rücken, sie hatte die Augen geschlossen, die Hände auf der Brust übereinandergelegt. Ich schob meine Hand zwischen ihre, und die drei Hände ruhten jetzt auf ihrem Bauch, der sich unter dem Stoff hob und senkte. Irgendwann hatte sie sich den Pyjama angezogen. Sie schlief nicht. Ich gehe immer nackt ins Bett, auch jetzt noch im Alter und trotz der Kälte, denn bei mir knautschen die Schlafanzüge immer und drücken, und dann kann ich nicht schlafen. Sara presste meine Hand, ohne die Augen zu öffnen. Ich richtete mich ein wenig auf, um auf den Wecker auf ihrem Nachttisch zu schauen: Zwölf Uhr. Jetzt war es wirklich zwölf Uhr Mitternacht.
Hier in La Mesa ist es manchmal kalt. Meine Söhne haben mir eine Heizdecke geschenkt, die inzwischen zu einem der wichtigsten Utensilien im Haus geworden ist. Anfangs irritierte es mich, dass ich eine Nabelschnur brauchte, über die ich jede Nacht mit der Steckdose in der Wand verbunden war. Das war natürlich nach Saras Tod, als es um mich herum kalt wurde. Bei alten Menschen ist der Blutkreislauf langsamer, heißt es, und deshalb frösteln sie leicht. Später hat mich das mit der Nabelschnur nicht mehr gestört, denn ich erkannte die Ironie, dass wir Alten wieder zu Kindern werden und dass die Heizdecke in diesem Kreis der erste Schritt zurück in die Kindheit war, auf einem Weg, der wieder im fruchtbaren Urleib endet, der keinen Namen hat. Wenn ich durch ein Wunder wieder malen könnte, dann würde ich als Erstes versuchen, genau diesen Kreis der Zen-Kalligraphie wiederzugeben, aber mit dem Motiv des Wassers und des Lichts und der Steine, die ich einmal im Río Apulo in der Nähe von Ángelas Haus gesehen habe. Wie grob das klingt, wenn man es in Worten ausdrücken möchte, was ich, glaube ich, schon einmal gesagt habe. Ich habe die Idee ganz klar im Kopf, habe mir damals sogar Notizen für das Gemälde gemacht, weil ich dachte, ich wäre dazu noch in der Lage. Mir fehlte nur das Augenlicht, um die Idee zu verwirklichen, und jetzt bleibt mir nichts übrig, als das Projekt zu beschreiben, mit diesen krakeligen, brombeerroten Schriftzeichen, die aus Saras Füller kommen.
Als ich das letzte Mal versuchte, meine Tinte herzustellen, geriet mir alles durcheinander, und ich musste Ángela bitten, mir zu helfen. Ich sagte ihr, in welchem Verhältnis sie die Farben mischen sollte, und die Tinte gelang ihr gut.
Meine Söhne haben mir auch eine Baskenmütze geschenkt, die ich immer öfter aufsetze, auch wegen der Kälte. Ángela sagt, ich sähe mit der Mütze »richtig schick« aus. Manchmal meine ich, bei ihr diese bemühte Freundlichkeit zu spüren, der alte Menschen oft ausgesetzt sind. Aber vielleicht bilde ich es mir auch nur ein, vorauseilende Abwehr sozusagen. Nun ja. Was soll man auch machen. Es gibt zwei berühmte Bilder eines Malers, an dessen Namen ich mich nicht erinnere, ich glaube, es war ein
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