Das spröde Licht: Roman (German Edition)
zwei Stunden lang mit weitgeöffneten Pupillen im Dunkeln lag.
Sara kam aus dem Badezimmer.
18 Minuten nach 12. Der Sekundenzeiger ruckte gerade an der 6 vorbei.
»Ist was passiert?«, fragte ich, aber nicht gleich, und ihre Antwort ließ auch einen Moment auf sich warten.
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, sagte sie schließlich. »Ich glaube, sie haben Angst.«
»Hm. Ja«, sagte ich, und da waren sie wieder, die grauenhaften blauen, gelben, roten, grünen Flammen, die in mir hochloderten und mir das wegfraßen, was ich als die Wände meiner Seele empfand, das Rückenmark, das verlängerte Rückenmark, das Kleinhirn, das Gehirn. Wir machten die Nachttischlampen aus und lagen, uns an den Händen haltend, still da, ich etwas unbequem, weil sich der Kater wieder auf meine Beine gelegt hatte. Aber selbst Cristóbals Last war ein Trost. Mit meinem Gesicht suchte ich Saras Haar und atmete seinen Geruch nach Sauberkeit, nach warmer Frische, wenn man so sagen kann, als könnte ich damit das Feuer in meinem Innern besänftigen.
Ich muss für ein paar Minuten eingeschlafen sein und wurde vom Zuschlagen der Wohnungstür geweckt. Ich stand auf, um nachzusehen, was los war, und traf im Gang Arturo, der in Boxershorts auf dem Weg zurück in sein Zimmer war. Er hatte mit Amber Streit gehabt, und sie war auf und davon. »Sie sagt, ich gehe ihr auf den Wecker«, sagte Arturo, der angespannt aussah. »Gut, dass sie fort ist, Dad. Ich kann jetzt keinen Stress gebrauchen. Ich rufe sie später an, und dann vertragen wir uns wieder.«
Zwölf Uhr dreiunddreißig.
Ich legte mich neben Sara und hörte, wie Arturo und James im Wohnzimmer leise miteinander sprachen. Auch Debrah sagte etwas. Aus der Küche drangen Geräusche, als würde Kaffee oder Tee aufgesetzt. Dann kam der Duft von Tee; dann der von frischem Toast. Ich hörte, wie das Marmeladenmesser über eine Scheibe Toast schabte.
Ich legte meinen Arm sanft über Saras Brüste und drückte ihre Schulter.
Eine Liebkosung, ja, aber auch wieder, um Schutz zu suchen.
zwanzig
Ich wurde von einem jähen Anfall von Klaustrophobie geweckt, gegen den ich dringend etwas unternehmen musste, um nicht in meiner Beklemmung loszuschreien. Ich riss die Decke weg und stürzte zum Fenster, wo ich tief ein- und ausatmete, während ich in den sternenklaren Himmel schaute, auf die Gräber und die Bäume. Da hing also um etwa ein Uhr morgens ein fast 60-jähriger hagerer, nackter Mann am Fenster und rang nach Luft. Aber er schrie wenigstens nicht.
Sara fragte, was ich hätte.
»Ich hab keine Luft mehr bekommen. Ist aber schon vorbei. Ein Glück, dass wir die Bäume hier haben.«
Ich rauchte eine Zigarette und schaute dabei auf die dunklen Grabmäler unten. Dann holte ich mir aus dem Badezimmerschränkchen eine extra Tablette Clonazepam, ein mildes Beruhigungsmittel, das mir der Arzt vor zwei Monaten verschrieben hatte.
»Sollen wir jetzt anrufen?«
»Lassen wir sie lieber schlafen.«
James, Debrah und Arturo waren noch in der Küche. Mir war auch nach einem Tee, und kurz darauf kam Sara dazu und fragte Arturo nach Amber. Arturo sagte, sie sei abgehauen, weil sie ihn unausstehlich fände, dabei sei doch sie die Unausstehliche. Venus sagte, es sei bestimmt besser so, denn nun könnten sie sich eine Weile voneinander erholen, Amber würde schon zurückkommen. »Mir ist das völlig egal«, sagte Arturo mit einer Heftigkeit, die ihn Lügen strafte. Ich gab, nur um etwas zu sagen, ein Bonmot aus Cali zum Besten: »Eine Frau, die nicht nervt, ist ein Mann«, aber nur James fand das ein bisschen lustig. Wir setzten uns alle fünf an den Tisch und tranken schweigend unseren Tee. Die Atmosphäre war wie bei einer Totenwache im alten Medellín. Draußen, im Totengarten, war hässliches Quieken zu hören, vielleicht von einem Eichhörnchen, das von einer Ratte angefallen wurde, oder von einer Ratte, die von einem Eichhörnchen angefallen wurde. Der Garten der Lüste. Menschen mit Rattenschwänzen, Beuteltiere mit Kinderbeinen. Durch das Fenster drang lautes Streiten von einem Mann und einer Frau und legte sich wie Stacheldraht um meine Nerven. Die beiden waren betrunken und stritten unten auf der Straße, die am Eisengitter des Friedhofs entlangführte, ganz nah bei einer der Muttergottesstatuen und den Gebeinen von Ellen Louise Wallace, die 1975 bestattet worden war.
Da beschlossen wir, die Jungen anzurufen.
Gebeine.
Zu meiner Überraschung und wahrscheinlich auch zu ihrer habe ich Ángela
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