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Das stählerne Geheimnis

Titel: Das stählerne Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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ihre Achse.
    »Achtung! Ofen Nummer eins«, sprach Griffith in ein Mikrofon. »Achtung! Ofen Nummer eins«, brüllte draußen ein Lautsprecher.
    Ein Schalthebel bewegte sich unter Griffiths Hand, und gleichzeitig begann sich draußen der erste Ofen um seine Achse zu neigen. Brennend, strahlend, weiß glühend floß es aus seinem Rachen in eine Bodenrinne, strömte wie eine feurige Schlange der Halle zu, floß durch eine Wandöffnung in sie hinein und ergoß sich wie ein feuriger Sturzbach in die Gießgrube.
    In schneller Folge schrie der Lautsprecher weitere Befehle in die Ofenhalle hinaus.
    »Ofen Nummer zwei! Ofen Nummer drei! Ofen Nummer vier!«
    An zehn Stellen zugleich wurde dem weißflüssigen Stahl der Weg freigegeben. Zehn glühende Bäche vereinigten sich zu einem Strom, der zischend und brennend in die Grube und in die wirbelnde Gießform stürzte.
    Ein Klang, ein einziger sonorer Ton dröhnte auf, die Werkuhr schlug halb eins. Da begann es schwächer zu fließen, der glühende Erzstrom versiegte, die Öfen waren leer. Zweitausend Tonnen flüssigen Stahls waren in die Gußform gelaufen und wurden mitsamt der Form in rasendem Wirbel herumgerissen. Dumpfer heulten die Elektromotoren, die jetzt außer dem Gewicht der Form auch noch diese Stahlmenge rotieren lassen mußten.
    Nach dem Schleudergußverfahren, von dem Palmer gesprochen und über das Price als unmöglich gelacht hatte, wurde hier zum ersten Male ein riesenhaftes Rohr gegossen. Die Stahlmenge, die aus den Öfen hergeströmt war, füllte die Form nicht ganz aus. Mit unwiderstehlicher Gewalt wurde die glutflüssige Masse von der Zentrifugalkraft nach außen gegen die feuerfeste Wand der Form getrieben und gepreßt, während genau in der Mitte eine lichte Öffnung von einem Meter Weite entstand.
    Es war ein Experiment, das in dieser Größe bisher noch kein Stahlwerk gewagt hatte und so bald wohl kein anderes wagen würde. Hin und her bewegt von hundert Gedanken und Befürchtungen, wie im Fieber durchlebten die drei Ingenieure auf dem Kommandostand die halbe Stunde, während der das glühende Metall in die Form strömte.
    Wenn sich trotz aller Sorgfalt doch ein Fehler in ihrer Berechnung befand … wenn die von vierzigtausend PS herumgewirbelte Gußform dem ungeheuren Druck des glutflüssigen Stahles nicht standhielt … wenn sie zerriß … ungeheuerlich mußte die Katastrophe dann werden, eine glühende Hölle die ganze gewaltige Halle im Laufe voe Sekunden. Leichter atmeten sie, als der letzte Stahl in die Form floß, in dem Bewußtsein, daß der Zentrifugaldruck nun nicht mehr größer werden könnte. Bis jetzt hatte ihre Konstruktion gehalten, ihre Berechnung gestimmt.
    Weiter ging die Zeit. Unaufhörlich dröhnte das Brausen der Elektromotoren durch die Halle. Unbeweglich saßen die drei Männer vor den Instrumenten des Kommandostandes. Schon leuchtete der aufkommende Tag durch die Fenster herein, als sich Dickinson erhob und wie fröstelnd seinen Mantel zusammenzog.
    »Die kritischen Stunden sind vorüber, Gentlemen. Nach menschlichem Ermessen ist nichts mehr zu befürchten. Ich denke, wir können jetzt unsere Leute an den Stand lassen.«
    Cranford griff zum Telefon. In einem entfernten Schuppen wurde gehört, was er sprach. Die Bedienungsmannschaft des Kommandostandes machte sich auf den Weg zur Halle. Worte wurden dabei gewechselt und Fragen gestellt. Sie konnten es sich nicht erklären, weshalb sie schon seit Mitternacht in dem entlegenen Schuppen in Bereitschaft liegen mußten, und ihre Verwunderung wuchs, als sie an der Ofenbatterie vorbeikamen. Leer alle Öfen. Die Belegschaft dort bereits an der Arbeit, neue Füllung für die nächste Schmelze hineinzugeben. Und dann sahen sie in der Halle mit Staunen, daß der Leiter des Werkes mit seinen beiden Oberingenieuren den Guß allein bewerkstelligt hatte, während sie an anderer Stelle warteten. Warum? Weshalb? … Sie vermochten keine Erklärung dafür zu finden. Kopfschüttelnd begaben sie sich an ihre Arbeitsplätze.
    Cranford blieb in der Halle zurück, Dickinson und Griffith verließen das Werk.
     
    Achtundvierzig Stunden sangen die Motoren ihr brausendes Lied und wirbelten die große Schleuderform rastlos um ihre Achse. Zum drittenmal zog die Mitternacht herauf, als Dickinson in die Halle zurückkam. Ein kurzer Befehl, vier Hebelbewegungen, und die Motoren stellten ihre Arbeit ein, der Riesenzylinder lag ruhig. Neue Kommandos, und ein Teil der Belegschaft stieg in die Gießgrube hinab,

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