Das stählerne Geheimnis
Vorsichtig versuchte er ihn während des Essens auszuforschen, um der Sache auf den Grund zu kommen. Als der Kellner den Kaffee serviert hatte, war es soweit. Unvermittelt platzte der Kapitän mit der Frage heraus.
»Wie weit sind Sie eigentlich mit Ihren neuen Riesengeschützen, General Grove?«
Der General setzte die Tasse wieder ab und sah den Kapitän verdutzt an.
»Was? Wie? Riesengeschütze? Wer hat Ihnen denn den Bären aufgebunden?«
Der Kapitän lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Deutlich war ihm die Erleichterung anzusehen, die er empfand, nachdem er seine Nachricht an den Mann gebracht hatte.
»Ja, General Grove«, sagte er nach kurzem Überlegen, »die Marine baut diese Geschütze nicht. Gebaut werden sie aber, das ist nach den Mitteilungen meiner Gewährsleute sicher, also bleibt nur die eine Möglichkeit, daß Ihr Amt sie in Auftrag gegeben hat. Übrigens ganz geschickt, General, die letzte Bearbeitung drüben auf den Philppinen vornehmen zu lassen … trotzdem … viel wird es Ihnen auch nicht nützen. Man weiß schon ziemlich viel darüber.«
»Herrgott im Himmel!« Der General ließ die Hand schwer auf den Tisch fallen.
»Ist denn die ganze Welt verrückt geworden? Sie erzählen mir hier dasselbe Märchen, Kapitän, das mir Oberst Barton von der Grand Corporation schon vor ein paar Stunden auftischte. Kein wahres Wort ist an der ganzen Geschichte. Weiß der Teufel, welche Stelle die fette Ente in die Welt gesetzt hat.«
Kapitän Bancroft wurde für einen Augenblick unsicher.
»Wissen Sie, woher Barton die Nachricht hatte?« fragte er Grove.
»Von der Corporation natürlich, Bancroft. Es ist klar, daß Price durch seine Agenten jeden Schritt Roddingtons überwachen läßt. Er hat wahrscheinlich triftige Gründe, in den Trenton-Werken eine bedenkliche Konkurrenz zu sehen. Darf ich fragen, Bancroft, wer Ihnen den Unsinn zugetragen hat?«
»Unter dem Siegel der Verschwiegenheit will ich es Ihnen sagen, General Grove. Die Nachrichten sind mir … auf Umwegen natürlich … aus dem gelben Lager zugeflossen. Der japanische Marineattache hier in Washington hat bereits ein Aktenstück über die neuen Riesengeschütze angelegt, und so einigermaßen weiß ich, was darinsteht.«
Grove beugte sich vor.
»Das würde mich auch interessieren, was Herr Vicomte Oburu da zusammenfabelt, denn eine Fabel ist es, mein Wort darauf, Kapitän Bancroft. Können Sie mir Genaueres sagen?«
Der Kapitän nickte.
»Ich habe vor Ihnen keine Geheimnisse, General. Der japanische Attache schreibt in seinem Bericht, daß die Vereinigten Staaten sich mit der Entwicklung von Riesengeschützen beschäftigen, die wahrscheinlich für die Befestigung der Philippinen bestimmt sind. Der Bericht gibt die voraussichtliche Rohrlänge mit hundert Meter, das Kaliber mit einem Meter an …«
»By Jove, Kapitän! Der Mann geht kräftig ins Zeug, aber ich zweifle doch, ob sie ihm den Unsinn in Tokio glauben werden. Stellen Sie sich doch nur vor: hundert Meter Rohrlänge … das Ferngeschütz des Ersten Weltkrieges, das größte Geschütz, das jemals gebaut wurde, war nur achtunddreißig Meter lang. Dazu dieses unsinnige Kaliber, das wird ihm ja kein Mensch glauben.«
»Das meinen Sie, General. Aber der strebsame Herr Oburu hat sich diese Maße nicht aus den Fingern gesogen. Seine Spione waren in der neuen Halle der Trenton-Werke, als die ersten Stücke gegossen wurden, und haben alles sehr genau beobachtet. Er belegt in seinem Bericht jede Zahl und jedes Maß mit genauen Angaben seiner Agenten. Das gibt am Ende doch zu denken. In Tokio soll man die Sache durchaus ernst nehmen. Auf seine ersten Funksprüche bekam der Attache den Befehl, ausführlichsten schriftlichen Bericht einzusenden und die Angelegenheit mit allen Mitteln weiterzuverfolgen.«
Grove trank nachdenklich den Rest in seiner Tasse aus. Erst nach geraumer Zeit antwortete er.
»Ich glaube, Bancroft, das sollten wir auch tun, und in diesem Falle müssen wir endlich mal Hand in Hand arbeiten. Ich werde mich auch noch mit Oberst Barton in Verbindung setzen. Wenn wir beide, Sie und ich, unsere Nachrichtenquellen richtig ausnutzen, werden wir bald wissen, was Roddington in den Trenton-Werken und auf den Philippinen vorhat.«
Als die beiden Herren das Restaurant verließen, waren sie sich über die zunächst zu treffenden Maßnahmen vollständig einig. Gemächlich schritten sie durch die Pennsylvania Avenue dem Block zu, in dem ihre beiden Ämter lagen.
Bald darauf
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