Das stählerne Geheimnis
hatte und die bis zu dieser Stunde für unerreichbar galt.
Langsam wie die Zeit kroch auch das Seil vorwärts. Deutlich konnte er die einzelnen Drähte erkennen, aus denen es geflochten war, und immer traumhafter wurde sein Sinnen.
Wünsche, Hoffnungen, Pläne verwob er in Gedanken in das stählerne Gespinst, das vor seinen Augen vorüberzog.
Schneller wurde jetzt die Fahrt der Trosse. Zu wirbelnden Reflexen verschwammen die einzelnen Drähte im Licht seiner elektrischen Lampe.
Ein Geräusch riß ihn aus seiner Versunkenheit. Die Sonde kam herunter und hielt vor ihm. Dr. Wegener sprang heraus.
»Glückauf, Roddington!«
Roddington fühlte den Druck von der Hand des anderen und war wieder ganz bei sich.
»Glückauf, Doktor Wegener! Haben Sie das Werkzeug mitgebracht?«
»Alles da, Mr. Roddington.«
Der Doktor sprach in das Telefon, die Fördermaschine lief wieder an. Das Seil über der Sonde senkte sich herab, mit Werkzeugen und Geräten verschiedenster Art war es bepackt. Mit einer Zange durchschnitt der Doktor die haltenden Drähte. Roddington sprang hinzu, um die schweren Gasflaschen abzunehmen, die Larking an die Trosse gebunden hatte. Schraubenschlüssel und andere Werkzeuge fielen polternd auf den Stahlboden.
»Sie haben gleich alles mitgebracht, Doktor Wegener?« fragte er etwas verwundert. »Was hat es für einen Zweck, wenn der Fels nicht steht?«
Mit einer kurzen Kopfbewegung schleuderte der Doktor das Haar aus der Stirn. »Er muß stehen, Roddington … und er wird stehen. Sehen Sie die Wand hier, glatt und spiegelblank. Kein Riß, keine Falte.« Er hatte einen schweren Schlüssel ergriffen und begann eine Schraube aus der Rohrwand herauszudrehen, sprach dabei weiter. »Da oben, dreihundert Meter höher, Roddington, da möchte ich’s bei Gott nicht probieren. Da könnte uns der Fels vielleicht wie zäher Brei in den Schacht eindringen. Hier sind wir unterhalb der Druckzone. Hier kann man’s wagen.«
In Davao hatte Dr. Wegener in die Wand dieses untersten Rohres ein armstarkes Loch bohren und es durch einen Schraubenbolzen wieder verschließen lassen. Den drehte er jetzt mit dem Schlüssel heraus. Zoll um Zoll trat der starke Bolzen aus der Wand hervor. Noch ein paar Umdrehungen, und klirrend stürzte das schwere Stück zu Boden. An einer Stelle war die stählerne Wand, welche die beiden Menschen bisher von den Gewalten der Tiefe trennte, geöffnet. Die nächsten Minuten, vielleicht Sekunden, mußten die Entscheidung bringen.
War der Druck auch hier noch so mächtig, daß das Urgestein unter seiner Gewalt plastisch wurde, daß es durch die Bohrung in den Schacht eindrang? Oder stand der Fels?
Dr. Wegener hatte inzwischen eine Stahlstange ergriffen, fuhr damit in die Bohrung, bis er auf den Fels draußen traf; zog die Stange zurück, prüfte, maß und sondierte immer wieder von neuem.
Schweigend verfolgte Roddington seine Bewegungen. Wie an einem Magneten hingen seine Blicke an der Stelle des Stabes, die der Doktor mit dem Daumen markierte. Bei jeder neuen Sondierung fürchtete er den Finger vorrücken, das Stabende kürzer werden zu sehen, und dann hätte er alle weiteren Pläne, alle Zukunftshoffnungen begraben können.
Schwer und dickflüssig vertropften die Minuten; unverrückt blieb der Finger des Doktors an der gleichen Stelle des Stabes.
Wie Jubelgeschrei drang es aus seiner Kehle:
»Der Fels steht, Roddington, wir können es wagen!«
Hundertfach gebrochen und zurückgeworfen rollten die Worte durch das lange Rohr. Ein dumpfes Echo von ihnen drang zweitausendfünfhundert Meter empor, wo Larking immer noch wartend neben der Fördermaschine stand. Er fürchtete ein Unglück, eine Katastrophe, schrie in das Mikrofon, lauschte vergeblich auf Antwort. Die beiden in der gefährlichen Tiefe hörten ihn nicht. Sie waren schon bei der Arbeit, die ihren Plan ein Stück weiterfördern sollte.
Brausend beleckten die blauen Stichflammen der Schneidbrenner, die sie in ihren Händen hielten, die Rohrwand. In kleinen Bächen rieselte der schmelzende Stahl unter den Flammen fort, in tausendfachem Funkenspiel sprühte er, zu Zunder verbrannt, davon. Mit Gewalt waren sie dabei, die Wand des stählernen Käfigs zu zerbrechen, den sicheren Schutz, den sie erst selbst geschaffen, zu zerstören, um den Kampf mit der Tiefe im Urgestein weiterzuführen.
Am Freitagmorgen trieb eine malaiische Prau, eins jener dürftigen Boote, deren sich die Eingeborenen für den Verkehr zwischen den Inseln des
Weitere Kostenlose Bücher