Das stählerne Geheimnis
wie stark war diese Magmaschicht? Mußte der Stollen noch Hunderte oder gar Tausende von Metern in die Tiefe vorgetrieben werden, bevor man endlich auf das Ersehnte stieß? Das war die große Frage, die einzige unbekannte Größe in der Rechnung des Doktors, die in allem übrigen bisher stimmte.
Mit einem leichten Seufzer ließ er sich in einen Sessel fallen. Ein Gefühl der Entmutigung wollte ihn beschleichen, wie es einen Feldherrn oft am Vorabend einer großen Schlacht überkommt. Im Geiste ließ er die Ereignisse der letzten Monate an sich vorüberziehen.
Fast über jedes Erwarten und Hoffen hinaus war bisher alles gut gegangen. Der stählerne Schacht hatte dem ungeheuren Druck der von dem zweiten Seebeben herangeschobenen Gesteinsmassen standgehalten. In glücklichster Weise bewirkten diese Massen einen dichten Abschluß des Schachtes gegen den ungeheuren Wasserdruck der Tiefe. Ohne Zwischenfälle war bisher der Vortrieb des Stollens verlaufen. Noch hielt die Nähe der eiskalten Tiefsee die Temperatur in ihm niedrig, noch störte kein Bergdruck den Stollenbau. Aber würde das alles so bleiben, wenn man noch Tausende von Metern in dem Urgestein vordringen mußte?
Eine tiefe Falte bildete sich auf der Stirn des Doktors, während er die Frage überdachte. Zu außergewöhnlich, zu sehr von allem Hergebrachten abweichend war ja das, was Roddington und er hier unternahmen. In einer bisher unbekannten Tiefe gingen die Arbeiten vor sich. Man konnte sich dabei auf keinerlei Erfahrungen stützen, mußte sich ganz und gar auf sein gutes Glück verlassen und zu jeder Stunde gewärtig sein, daß eine Katastrophe hereinbrach.
Dr. Wegener war nicht der einzige an Bord der »Blue Star«, den an diesem Vormittag Sorgen drückten. Auch Roddington saß mit zergrübelter Miene an seinem Tisch. Vor ihm lagen die Aufzeichnungen seines Generalbevollmächtigten Roger Blake, die ein Flugzeug gebracht hatte.
Lange Zahlenreihen, welche die Summen aufwiesen, die das Unternehmen bisher verschlungen hatte, Zahlen, die für ein Unternehmen von der Größe des Trenton-Werkes auch dann ungewöhnlich hoch gewesen wären, wenn ihnen entsprechende Einnahmen gegenübergestanden hätten. Hier aber gab es nur Ausgaben, nur Unkosten, nur eine Debetseite, der kein Kredit die Waage hielt.
Nur zu berechtigt war die Frage in dem Begleitschreiben Blakes, wie Roddington für die nächsten Monate finanziell weiterdisponieren wollte. Ebenso begründet die zweite, welche Zeit und welche Mittel die Arbeiten am Schacht voraussichtlich noch in Anspruch nehmen würden. Welche Zeit und welche Mittel? Nur Dr. Wegener vermochte darüber vielleicht Auskunft zu geben. Er raffte seine Papiere zusammen und suchte ihn in seiner Kabine auf.
Der Doktor beobachtete, über ein Reagenzglas gebeugt, wie die scharfe Säure darin ein schwarzes Stückchen Mineral auflöste. Sorgfältig verfolgte er den Vorgang und prüfte das Gas, das schäumend emporperlte, als Roddington bei ihm eintrat. Mit halbem Ohr hörte er dessen Bericht und merkte erst schärfer auf, als die Schlußsummen und die Fragen Blakes zur Sprache kamen.
Einen Augenblick sank seine Gestalt tiefer in sich zusammen, als ob sie die schlimmen Neuigkeiten nicht mehr zu tragen vermochte. Dann straffte sie sich zu frischem Widerstand.
»Wie lange es noch dauert? Wieviel es noch kosten wird? Ich kann es Ihnen nicht sagen, Roddington. Nur das eine ist sicher: Wir haben die Magmaschicht erreicht …«
»Die Magmaschicht, Doktor Wegener? Haben wir sie wirklich schon erreicht?«
Der Doktor deutete auf das Reagenzglas. »Was hier in der Säure brodelt, ist vulkanisches Magma. Wir sind bereits fünfzig Meter tief in die Schicht eingedrungen.«
»Das überrascht mich, Doktor. Nach Ihrer Theorie müßte das Magma erst in sehr viel größerer Tiefe unter dem Seeboden beginnen.«
»Sie vergessen die Verschiebungen, Roddington, die das erste große Seebeben bewirkt hat. Wenn ich’s jetzt genau betrachte, war es ein unerhörter Glücksfall für uns; es hat uns mehrere Kilometer Urgestein aus dem Wege geräumt.«
»Aber wenn der Stollen jetzt schon im Magma steht, Doktor Wegener, dann müßten wir doch dicht vor dem Ziele sein.«
Dr. Wegener zuckte mit den Achseln. »Vielleicht stoßen unsere Leute vor Ort schon in den nächsten Stunden darauf, vielleicht dauert es noch Wochen, Monate – vielleicht machen die Gewalten der Tiefe alle unsere Pläne und Arbeiten noch in der letzten Minute zuschanden
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