Das Steinbett
dachte etwas weiter als er.
Edvard ging unentschlossen am Wasser entlang. Fredrik Stark, sein alter Freund von der Gewerkschaft, wollte ihn am Wochenende besuchen. Edvard wußte nicht recht, was er von seinem Besuch halten sollte. Natürlich war es schön, ein wenig Gesellschaft zu bekommen, aber lieber wäre er mit Lindell auf der Insel gewesen. Er wußte nicht, wie lange sie in Spanien bleiben würde. Sollte er sie anrufen? Seine Sehnsucht, die sich mit völlig unbegründeter Eifersucht vermischte, tat körperlich weh. Anders konnte er es nicht beschreiben.
25
Malagas Straßen waren menschenleer, als Haver und Lindell in den Toyota stiegen, der sie nach Ronda bringen sollte. Moya sah müde aus, und Lindell nahm an, daß er noch gearbeitet hatte, nachdem sie auseinandergegangen waren.
Während der Fahrt schwiegen sie. Moya war offensichtlich nicht gewillt, ihnen zu erzählen, was sie erwartete. Sie fuhren landeinwärts, und nach einer halben Stunde, als der Wagen über Serpentinen kroch, konnten sie das Mittelmeer sehen, das sich hinter ihnen blau und einladend ausbreitete. Lindell dachte an ein anderes Meer: die Ostsee, auf die Edvard hinausschaute.
Nach zwei Stunden Fahrt näherten sie sich Ronda, das wie eine Festung auf einem Felsen lag. Eine Zivilstreife wartete am Ortseingang auf sie. Moya wechselte ein paar Worte mit den Kollegen, ehe sie in Richtung Stadtzentrum weiterfuhren.
»Wir haben eine Adresse bekommen«, sagte Moya und wandte sich an Lindell. »Angeblich hält sich Urbano dort auf.« Er wurde vom Klingeln seines Handys unterbrochen und lauschte einige Sekunden. »Meine Kollegen haben die Verhaftung vorbereitet. Leider müssen Sie das Ganze aus der Ferne verfolgen«, fuhr er fort.
Sie fuhren an der berühmten Stierkampfarena vorbei, von der Lindell in ihrem Reiseführer gelesen hatte, und gelangten in ein älteres Wohnviertel. Kurz vor einer Kreuzung hielt der Wagen an.
»In dieser Straße dort«, sagte Moya, »soll Urbano sich aufhalten. Sie bleiben hier.«
Lindell nickte. Moya verließ den Wagen und verschwand um die Ecke.
Eine halbe Stunde verging, ohne daß etwas geschah. Allmählich wurde Lindell ungeduldig. Das Handy des Fahrers klingelte, und er lauschte stumm einer Stimme, die wahrscheinlich Moya gehörte, beendete das Gespräch und ließ den Wagen an.
»Nobody there«, sagte er.
Sie bogen um die Ecke und fuhren etwa hundert Meter. Die Straße war jetzt voller Streifenwagen. Neugierige hingen in den Fenstern. Moya stand vor einem Haus mit abblätternder Fassade. An der grüngestrichenen Holztür hing ein kleines handgeschriebenes Schild: Camas.
»Es ist eine sehr einfache Herberge«, sagte Moya.
Eine Frau von mindestens achtzig Jahren stand im Türrahmen. Sie war schwarzgekleidet. Aus kleinen, von unzähligen Falten umgebenen Augen starrte sie Lindell an, wütend und neugierig zugleich. Hinter ihr waren Stimmen zu hören, sie drehte sich um und schrie etwas.
»Die Frau behauptet, Urbano habe das Haus heute morgen in aller Frühe verlassen. Ihr Sohn, den ich kaum verstehen kann, meint, Urbano sei wenige Minuten vor ihm gegangen, also gegen fünf.«
Zu spät, dachte Lindell. Da saßen wir noch im Auto. Sie wollte fragen, ob man das Haus nicht überwacht hatte, aber Moya kam ihrer Frage zuvor.
»Er scheint sich trotz unserer Bemühungen davongeschlichen zu haben«, sagte er. »Vielleicht hat er den Hinterausgang genommen. Es gibt da eine Tür, die zu einer schmalen Gasse zwischen den Häusern führt.«
Man hörte Gelächter und das Geräusch einer Vespa, die davonfuhr.
Die Absurdität der ganzen Situation ließ Lindell ruhiger bleiben, als das sonst der Fall gewesen wäre. Sie hatte gehofft, diesen Urbano in die Finger zu bekommen. Er hätte Licht in den Fall Cederén bringen können. Wir waren so nah dran, dachte sie, so verdammt nah dran, und dann packte sie endlich die Wut.
Sie gingen zum Auto zurück. Zwei Polizisten blieben, für den Fall, daß Urbano sich doch wieder sehen ließ. Lindell und Haver diskutierten, ob ihn vielleicht jemand gewarnt und ihm so die Flucht ermöglicht hatte. Sie wollten Moya jetzt nicht mit Fragen belästigen. Seine ganze Körperhaltung zeigte, wie beschämt er war. Im Gespräch mit seinen Leuten und den Kollegen aus Ronda war er ausgesprochen beherrscht und sachlich geblieben, aber als er in den Wagen stieg, konnte er seine Wut nicht länger zügeln. Der Polizeimeister aus Ronda, der mit ihm über die Straße stolziert war, hatte sich
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