Das Steinbett
Jaime Urbanos. Sind Sie sich beim Vornamen sicher?«
»Ziemlich«, sagte Haver.
»Haben Sie die Listen dabei?«
»Nein, aber wenn ich Ihr Fax benutzen darf, können wir die Namen gleich haben.«
Moya führte sie in ein einfaches Restaurant im Schatten der großen Kathedrale. Sie bestellten sich etwas zu essen und zu trinken; der Spanier plauderte über Malaga und erkundigte sich nach den Familienverhältnissen seiner schwedischen Kollegen. Als Lindell erklärte, sie lebe allein, schaute er sie an, als hätte sie gerade bekannt, an einer schweren Krankheit zu leiden.
»Wir wissen nun mit Sicherheit«, begann Moya, als das Essen auf dem Tisch stand, »daß Jaime Urbano am 12. Juni, zwei Tage vor dem Mordanschlag auf Sophie und Emily Cederén, nach Stockholm gereist ist. Drei Tage später ist er wieder zurückgeflogen. Begleitet wurde er von einem gewissen Benjamin Olivares, einem Burschen, der für uns ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt ist.«
Lindells Anspannung wurde immer größer. Je länger sie in Malaga war, desto mehr war sie davon überzeugt, daß Gabriella Mark recht hatte: Sven-Erik Cederén hatte weder seine Familie ermordet noch Selbstmord begangen.
»Olivares ist im Grunde ein kleiner Fisch, der bisher nicht in schwere Gewalttaten verwickelt gewesen ist, aber in Urbanos Gesellschaft kann alles mögliche passieren«, fuhr Moya fort. »Wir suchen schon seit geraumer Zeit nach Urbano. Wir wissen, daß er Mitte Juni eine größere Geldsumme erhalten hat. Das bestätigen mehrere, voneinander unabhängige Quellen, zum einen ein Dealer, dem Urbano einen größeren Betrag schuldete, zum anderen eine Prostituierte, die er regelmäßig aufgesucht hat.«
»Wie ist es Ihnen gelungen, all das in so kurzer Zeit zu ermitteln?« erkundigte sich Haver.
Er aß mit großem Appetit Tintenfisch. Lindell betrachtete seinen fettigen Mund und wünschte sich, er würde eine Serviette benutzen.
»Wir beobachten Urbano schon seit längerem«, antwortete Moya. Er legte sein Besteck ab und blickte zur Kathedrale hinauf. »Er hat einen Polizisten brutal ermordet. Bei einer Verkehrskontrolle hat er grundlos das Feuer eröffnet und den Mann mit vier Schüssen niedergestreckt. Wir konnten dem Beamten nicht mehr helfen.«
Moya trank einen Schluck Wein, stellte das Glas ab und ließ seine Worte wirken.
Deshalb hat er sich so ins Zeug gelegt, dachte Lindell. Er hatte schon vorher eine Verbindung zwischen Urbano und UNA Medico gefunden, und als wir mit unserer Anfrage an ihn herantraten, paßte das ganz hervorragend in seinen Plan, dem Unternehmen etwas auf den Zahn zu fühlen.
»Was mir wirklich Sorgen macht, ist allerdings die Tatsache, daß Urbano unter seinem eigenen Namen ein- und ausreisen konnte, ohne daß wir es gemerkt haben«, sagte Moya. Er erzählte ihnen von den Anstrengungen, die sowohl die nationale als auch die örtliche Polizei unternommen hatten, um den Polizistenmörder zu finden. Schon bald war dabei der Name Olivares aufgetaucht. Die verstärkten Fahndungsaktivitäten hatten in der Unterwelt Malagas Unruhe gestiftet, und es wurden Informationen an die Polizei weitergeleitet, damit wieder Ruhe einzöge. »Wir bekamen den Tip, daß man Urbano und Olivares vor einer Woche in Ronda gesehen hat. Das ist eine kleine Stadt in den Bergen.«
Lindell ahnte, was nun kommen würde.
»Olivares ist tot, nicht wahr?« sagte sie.
Falls Moya überrascht war, zeigte er es jedenfalls nicht.
»Sie sind eine gute Polizistin«, sagte er nur schlicht und lächelte. »Ja, er ist tot. Eine halbe Stunde, bevor wir hierher gefahren sind, riefen die Kollegen aus Ronda an und teilten uns mit, daß eine Leiche in einer Schlucht vor der Stadt gefunden wurde. Olivares. Er ist erschossen worden.«
»Was werden Sie jetzt tun?« fragte Haver.
»Es heißt, daß sich Urbano noch immer in Ronda aufhält. Das ist eine kleine Stadt, in der Gerüchte sich in Windeseile verbreiten. Ein alter Bekannter, ein Scheckbetrüger, der sich inzwischen darauf verlegt hat, in seiner Bar Touristen auszunehmen, hilft uns des öfteren mit Tips weiter. Er hat die beiden noch gestern zusammen gesehen. Wir haben für morgen früh einen Besuch in Ronda vorbereitet«, sagte Moya. »Hätten Sie Lust, uns zu begleiten?«
Sie brachen auf, nachdem sie abgesprochen hatten, daß Lindell und Haver am nächsten Morgen gegen halb fünf am Hotel abgeholt würden. Lindell sah auf die Uhr und rechnete aus, wie viele Stunden Schlaf sie noch bekäme. Obwohl sie
Weitere Kostenlose Bücher