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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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sie sich etwas notieren.
    Ottosson zögerte ein paar Sekunden, bis er schließlich Lindells Büro verließ.

29
    Als Julio Piñeda sich dem Stadtrand näherte, war er plötzlich so aufgeregt, daß er auf das Autodach hämmerte. Sein Neffe bremste und fuhr an den Straßenrand; gleichzeitig rauschte ein Lastwagen mit Baumaterial vorbei und streifte den Seitenspiegel des Pickups.
    »Was ist denn los?« rief Antonio, ohne auszusteigen.
    »Ich habe ihn gesehen«, schrie Julio. »Setz zurück!«
    Antonio schnaubte, gehorchte aber und begann, langsam rückwärts zu fahren. Der Wagen hüpfte auf der unebenen Fahrbahn auf und ab.
    Wenige Sekunden später kam die Enttäuschung. Er war es nicht. Daß diese Gringos aber auch alle so gleich aussehen müssen, dachte er verbittert.
    »Siehst du ihn?« fragte Augusto, sein zweiter Neffe.
    »Fahr!« schrie Julio resigniert. »Fahr zum Bäcker.«
    Der Bäcker war seine letzte Hoffnung. Er wußte vielleicht, was aus El Sueco geworden war und ob er sich in der letzten Zeit hatte blicken lassen.
    Im Dorf Gaspar Hernandez hatten alle anderen die Hoffnung aufgegeben, aber Julio weigerte sich, das zu tun. Er wollte Gerechtigkeit. Das hatte er auch den anderen Dorfbewohnern gesagt, aber sie lachten nur, nicht offen, doch hinter seinem Rücken grinsten sie über ihn. Das wußte er.
    Antonio wendete und parkte vor dem Laden des Bäckers. Hier war Julio dem Schweden zum ersten Mal begegnet. Das war jetzt fast genau ein Jahr her. Julio wußte, daß er immer hierher kam. Der Bäcker und der Schwede verstanden sich gut, und Julio glaubte, daß der Barbesitzer dem Gringo Frauen besorgte, was der allerdings abgestritten hatte.
    »El Sueco ist ein feiner Mann«, hatte er gesagt, als Julio das letzte Mal bei ihm war und nach dem Gringo gefragt hatte.
     
    Der Bäcker hatte bereits drei Flaschen Bier geöffnet, als die Männer eintraten. Sie halfen Julio, sich an einen der Tische zu setzen. Der Bäcker stellte ihnen die Bierflaschen hin, begrüßte dann Julio und seine beiden Neffen.
    »Wie geht es dir?« fragte er und wischte die Tischplatte mit einem Lappen ab.
    »Wie immer«, antwortete Julio. »Du hast ihn nicht gesehen?«
    Der Bäcker schüttelte den Kopf.
    »Verdammt«, murmelte Julio.
    Er führte die Flasche zum Mund. Der erste Schluck schmeckte immer am besten. So war es stets in seinem Leben gewesen: Das erste Mal mit einer neuen Frau, die erste Banane von der Staude und der erste Bissen am Morgen. So war es auch mit dem Schweden gewesen. Ihre erste Begegnung war fröhlich verlaufen. Der Fremde hatte zu Essen, Bier und Rum eingeladen, Scherze gemacht und gelacht.
    »Ich glaube nicht, daß er noch einmal zurückkommt«, meinte der Bäcker, und Julio sah ihm an, daß er lange gezögert hatte, die Worte auszusprechen.
    »Nein, du hast wohl recht«, erwiderte Julio leise.
    Als sie ihn so sprechen hörten, schielten seine Neffen zu ihm hinüber. Ihnen war von Anfang an klar gewesen, daß Julios Expedition zum Scheitern verurteilt war. Sie machten diese Fahrt nur, damit der Alte nicht immer weiter nörgelte, aber auch, weil sie ihn mochten und er ihnen leid tat.
    Julio nahm noch einen Schluck. Er hatte das Gefühl, betrogen worden zu sein. Er war betrogen worden. Die Leute lachten über ihn, auch die anderen, die sich damals an der Nase herumführen ließen. Ein Glück, daß Miguel, sein älterer Bruder, nicht mehr lebte. Er hätte sich totgelacht. Zeitlebens hatte er keinen Sinn für Gerechtigkeit gehabt, nicht einmal Familiensinn. Seine Söhne waren besser. Julio hob die Flasche, setzte sie aber nicht gleich an den Mund, sondern sah zuerst seine Neffen an. Gemeinsam tranken sie darauf, daß die Welt ungerecht und das Leben für die Armen eine Hölle war.
    Der Bäcker stand hinter seiner Theke. Er schaute Julio mit einem mitleidigen Blick an, ehe er seine Neuigkeit verkündete.
    »Ich glaube, der Schwede ist tot«, sagte er.
    Er wußte, daß es so war, aber er wollte die Hoffnungen des alten Mannes nicht auf einen Schlag zunichte machen, indem er allzu sicher klang. Das Trio am Tisch sah zu ihm hin, und der Bäcker konnte nun deutlicher als zuvor erkennen, daß sie miteinander verwandt waren. Sie hatten alle die Nase der Piñedas, eine breite Nase mit Nasenlöchern, die sich bei jedem Atemzug zu gigantischen Hohlräumen weiteten.
    »Die Polizei ist hier gewesen«, sagte er. »Sie haben Fragen zu dem Schweden gestellt und wollten alles über den Landkauf wissen. Ich habe ihnen gesagt, daß ich

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