Das Steinbett
ja genau darüber gestritten?« warf Lindell ein.
Berglund sah sie an, und Lindell hatte den Eindruck, daß es ihm nicht gefiel, wenn sie sich einmischte.
»Wenn Sie damit andeuten wollen, ich wäre anderer Ansicht gewesen als er, irren Sie sich«, antwortete Mortensen emphatisch. »Wir waren uns, wie gesagt, vollkommen einig.«
Lindell verließ den Raum und ging zu Haver.
Nach einer Stunde beschlossen Lindell und Ottosson, die Verhöre abzubrechen, weil nichts Greifbares herausgekommen war.
»Wir hatten einfach nicht genug in der Hand«, meinte Ottosson.
Die Aktion der Polizei hatte die Angestellten offensichtlich nervös gemacht. Aber da Lindell und die anderen Polizisten ihre Vermutungen nur unzureichend untermauern konnten, klangen auch ihre Worte zunehmend wie leere Drohungen. Adrian Mårds Angaben ließen sich durch nichts belegen, und sie durften erst recht nicht auf ein Dokument verweisen, das sie nicht einmal gesehen hatten.
War beim Tod von Familie Cederén und Gabriella Mark Geld im Spiel gewesen, oder hing alles mit den angeblich illegalen Tierversuchen zusammen? Sie kannten die Antwort immer noch nicht.
Die Ermittlungen traten wieder einmal auf der Stelle, und das hatte Spuren hinterlassen bei den versammelten Kriminalpolizisten.
»Mortensen ist ein ganz linker Hund«, meinte Berglund.
»Er gibt sich freundlich, ist in Wahrheit aber aalglatt. Er weiß, daß wir nichts in der Hand haben.«
Er mochte Mortensen nicht, das hatte Lindell sofort bemerkt, als sie bei den beiden hereingesehen hatte. Der sonst so sanftmütige Berglund war gereizt gewesen und hatte bei seinen Versuchen, Mortensen auf den Leib zu rücken, einen unprofessionellen Eindruck gemacht.
Es ging ein frischer Wind, als Ann Lindell kurz nach fünf auf die Straße hinaustrat. Die Niedergeschlagenheit ließ sich nicht so einfach abschütteln. Als sie im Auto saß, kamen ihr wie aus heiterem Himmel wieder die Tränen. Während der Verhöre und der Diskussionen mit den Kollegen hatte sie die Fassung bewahren können; nun war es damit vorbei.
»Das ist alles so sinnlos«, murmelte sie leise.
Sie wollte nach Östhammar fahren, wurde aber immer unsicherer, ob das richtig war. Mal wollte sie Edvard sehen, mal wollte sie ihn nicht sehen. Sie sehnte sich nach seiner Stimme und seinen Händen, aber ihr war klar, daß es nie wieder so sein würde wie früher. Sie konnte ihn nicht mehr lange hinhalten. Das Märchen von Edvard und Ann ging bald zu Ende. Sieh das ein, dachte sie und fühlte Verbitterung in sich aufsteigen.
Sie fuhr nach Hause und betrat die stille Wohnung, die ihr in diesem Moment unwirklich vorkam. Wohnte sie tatsächlich schon seit ein paar Jahren hier? Der Kühlschrank war leer, das Geschirr stapelte sich in der Spüle, der Wäschekorb war voll, und sie wunderte sich fast ein wenig, als Wasser aus der Dusche strömte. Etwas funktionierte. Sie sah zu, wie das Wasser wirbelnd im Abfluß verschwand.
Sie wollte ein Glas Wein trinken und sich auf die Couch legen, aber es war kein Wein im Haus, und sie hatte sich vorgenommen, keinen neuen mehr zu kaufen. Viele Monate nicht. Wie lange stillte man eigentlich?
In Osthammar hatte es kräftig geregnet; als Ann Lindell auf dem Parkplatz der Ambulanz aus dem Auto stieg, atmete sie tief durch.
Mit jedem Schritt wuchs ihre Anspannung. Sie hatte nichts dabei, weder Schokolade noch Blumen. Sie kam mit leeren Händen und einer einzigen Hoffnung: daß er sie umarmen würde wie früher.
Eine Krankenschwester kam ihr entgegen. Lindell erklärte ihr Anliegen. Die Krankenschwester zeigte auf ein Bett am hinteren Ende des Korridors. »Wir haben das Bein gegipst«, sagte sie lächelnd.
»Wird er hierbleiben müssen?«
»Nein, sobald der Gips fest ist, schicken wir ihn nach Hause.«
»Hat er Schmerzen?«
»Er hat schon in Öregrund etwas gegen die Schmerzen bekommen. Ich glaube, es ist nicht so schlimm.«
Das sagen sie immer, dachte Lindell.
»Vielen Dank«, meinte sie und empfand wie so oft, wenn sie Pflegepersonal begegnete, Dankbarkeit.
Lindell ging zu seinem Bett. Er schlief. Auf der rechten Wange hatte er einen Bluterguß. Ansonsten schien er unverletzt. Das gegipste Bein war unter der Decke verborgen. Sie studierte die Gesichtszüge, die Fältchen, das schütter werdende Haar, die sonnengebräunte Haut und die kräftige Hand, die auf der Decke lag. Eine alte Narbe leuchtete weiß. Hätte sich der Brustkorb nicht regelmäßig gehoben, man hätte ihn für tot halten können;
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