Das Steinbett
Fahndung ausgelöst, aber bis jetzt war nichts dabei herausgekommen. Alle wußten, wie leicht es war, unbemerkt das Land zu verlassen. War er vielleicht zum nahe gelegenen Fährhafen Kappelskär gefahren und hatte die Fähre nach Finnland genommen?
Sie schrieb Helsinki auf den Notizblock, strich das Wort aber augenblicklich wieder durch. Cederén war kein Mann, der sich nach Finnland absetzte.
Die Geliebte, schrieb sie als nächstes. Sie starrte die Worte an. Lieben. Nach der Lektüre von Josef in Cederéns Tagebuch wußte Lindell, daß es eine andere Frau im Leben des Mannes gab. Wer sie war und wo sie wohnte, ging aus den Einträgen nicht hervor. Entweder wußte Josefin ihren Namen nicht oder sie wollte ihn nicht offen nennen. Sie haßte diese Frau, das war deutlich geworden, und vielleicht wollte sie ihren Namen nicht einmal auf Papier bannen, ihr keinen Namen, keine Gestalt geben.
Die Geliebte tauchte immer nur in Umschreibungen auf. Josefin und Sven-Erik Cederéns gemeinsames Leben hatte um diese Person gekreist, obwohl ihr Mann nicht ahnte, daß sie Bescheid wußte. Oder wußte er etwa, daß sie es wußte? Hatten sie sich wegen dieser Frau gestritten? Lindell glaubte es nicht. Nichts in dem Tagebuch deutete darauf hin. Die Frau war einfach nur da, der Stein, der durch die schmutzige, vornehme Villa in Uppsala-Näs gerollt, der die Treppe hinaufgetragen wurde, der Stein, über den Josefin Cederén gestolpert war. Sie maß sich mit der Frau, maß sich mit dem Mann und seinen Reaktionen.
Sie hatte sich selbst gequält. Zu wissen, daß es eine andere gab, zermürbte sie. Gleichzeitig war sie schwanger. Das Tagebuch belegte dies, und bei der Obduktion war man zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Sammy Nilsson hatte ihr den Bericht hereingereicht, in dem bestätigt wurde, daß Josefin Cederén bei ihrem Ton im zweiten Monat schwanger war.
War das Kind vielleicht von einem anderen Mann? In ihrem Tagebuch wurde es zwar nicht direkt ausgesprochen, aber die Formulierungen wiesen eindeutig in eine Richtung: Sven-Erik Cederén war der Vater. Lindell erinnerte sich an einen bestimmten Satz: »Wie konnte er nur direkt von ihr zu mir kommen?« Lindell fragte sich, wie Josefin ihren Mann im Bett empfangen, im Wissen um die Geliebte mit ihm schlafen konnte, ahnte jedoch, daß die Frau verzweifelt versucht hatte, ihn zurückzuerobern. Vielleicht würde ja ein Kind die Ehe retten?
Lindell suchte die Liste der Angestellten von MedForsk heraus. Sie bestand aus insgesamt neun Namen, drei davon waren Frauen. Alle um die Dreißig. Überhaupt war es eine junge Belegschaft. Niemand war über fünfzig, die meisten zwischen dreißig und vierzig.
Lindell beschloß, die Frauen noch einmal zu verhören. Die Zeugenaussagen, die am Vortag aufgenommen worden waren, hatten nichts gebracht außer den üblichen Floskeln: »Es schien ihm gut zu gehen. Mir ist nichts Besonderes aufgefallen.« Lindell notierte, daß Wende die Verhöre geführt und es darüber hinaus noch geschafft hatte, die Protokolle zu schreiben. Außerdem hatte er Fotografien der einzelnen Angestellten an das jeweilige Protokoll geheftet. Das war wirklich eine Leistung. Er mußte eine Nachtschicht eingelegt haben.
Sie notierte sich die Namen der Frauen, während sie prüfend die Bilder betrachtete. Alle drei sahen gut aus. Zwei von ihnen waren blond, die dritte hatte hennafarbenes Haar. Eine Geliebte fand man doch am ehesten auf der Arbeit, oder? Lindell tippte auf eine der beiden Blonden.
MedForsk lag am Stadtrand, in einer Gegend, in der Lindell sonst praktisch nie etwas zu tun hatte. Nicht einmal der Straßenname sagte ihr etwas. Hier hatten sie ihren Firmensitz, die erfolgreichen Unternehmen in der Pharmaindustrie und im IT-Bereich. Sie hausten in unansehnlichen Gebäuden, die einer Parade aus gelben Ziegelsteinboxen glichen, die Firmennamen und -logos diskret über Giebeln und Eingängen plaziert. Es hieß, daß die Zukunft der Stadt in ihren Händen lag. Es ließ sich nicht einmal ansatzweise erahnen, was sich hinter den Fassaden verbarg.
Lindell war richtig froh, als sie schließlich einen Firmennamen entdeckte, bei dem sie sich vorstellen konnte, was sich dahinter verbarg: Lasses Auto- und Blechhandel – alles für das Auto. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn sie dorthin gemußt hätte. Eine Hebebühne und Wände voller Werkzeug, das Geräusch eines Winkelschleifers und die Funken eines Schweißbrenners kannte sie gut.
Sie bewegte sich hingegen auf
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