Das Steinbett
Schritten und schob schluchzend die Tür auf.
Sie wusch die Wunde aus und sah, daß sie nicht so schlimm war, wie sie zunächst vermutet hatte. »Ich will keine Narbe zurückbehalten«, murmelte sie, schaute sich prüfend den Arm an und wickelte ein Handtuch darum. Der Spiegel ließ ihr keine Ruhe, sie ging rückwärts aus dem Badezimmer, ohne hineinzuschauen.
Nachdem sie in der Küche ein Glas Rhabarbersaft getrunken hatte, setzte sie sich. Die Reste vom Frühstück standen noch auf dem Tisch, und sie schob sie mit dem unverletzten Arm beiseite.
Ich muß etwas nehmen, dachte sie, blieb jedoch sitzen. Ihr brach der Schweiß aus, Hitzewellen liefen durch den Körper, und sie hatte das Gefühl, aus der Küche getragen zu werden. Sie schloß die Augen, damit das Schwindelgefühl schwächer würde. Ihr Mund formte sich zu einem O, und sie blies die Luft aus den Lungen, atmete tief ein und wieder aus. Am liebsten hätte sie geschrien. Ihre Finger tasteten über die Tischdecke. Die Krümel vom Frühstück knisterten unter ihren Händen.
Sie schlug die Zeitung auf und las den ausführlichen Artikel, der eine Beschreibung des Anblicks enthielt, der sich dem Journalisten und dem Fotografen der Zeitung geboten hatte. Ergänzt wurde der Artikel durch Kommentare der Polizei, der Anwohner und der Nachbarn.
Ein langgezogener Schrei erfüllte das ganze Haus, ein Schrei, der sie befreite und zugleich erschreckte.
»Er ist tot«, schrie sie und begriff, daß ihre Liebe nicht ausgereicht hatte, daß er nie wieder mit ihr zum See hinabgehen, nie mehr ihren Namen rufen würde. Nie wieder. Als ihr bewußt wurde, daß sie der toten Frau und ihrem Kind keinen Gedanken gewidmet hatte, schämte sie sich erst, aber unmittelbar darauf sah sie ihn wieder vor sich.
»Ich will nicht mehr«, murmelte sie und tastete sich zum Badezimmer. In der hintersten Ecke des Badezimmerschranks lagen ein paar alte Tabletten. Sie hatte die Tabletten zur Erinnerung aufbewahrt, sie triumphierend und in der Gewißheit betrachtet, daß die Zeit endgültig vorbei war, in der sie für die Nacht welche brauchte. Jetzt nahm sie eine und dann noch eine. Und da sie schon einmal damit angefangen hatte, nahm sie auch gleich noch ein paar blaue Sobril.
»Er kann nicht tot sein«, murmelte sie.
10
Lindell machte einen Abstecher ins Savoy. Es tat gut, im Café zu sein. Ihr Bauch war zwar voller Scones und süßer Marmelade, aber sie brauchte etwas Zeit zum Nachdenken.
Nachdem sie einen Moment gezögert hatte, schaltete sie das Handy ab und setzte sich mit einer Zimtschnecke und einer Tasse Cappuccino an einen Tisch. Ein Trupp Handwerker fiel in das Café ein, aber glücklicherweise zogen sie es bei dem schönen Wetter vor, sich nach draußen zu setzen. Lindell durfte in dem Lokal mit ihren Gedanken allein bleiben. Auf ihrem Tisch lag eine Illustrierte, und sie blätterte in der zerlesenen Zeitschrift herum.
Anschließend ging sie noch einmal durch, was Mortensen über Cederén gesagt hatte. Mortensen glaubte, daß sein Partner die Familie überfahren habe. Er sollte seinen Kollegen und langjährigen Freund doch eigentlich wie kein anderer kennen. Aber waren sie wirklich Freunde? Es gab einen Unterton in der Stimme des Geschäftsführers, der ihr nicht gefiel und den sie auch nicht zu deuten vermochte.
War Cederén wirklich in der Lage, seine eigene Familie zu überfahren? Lindell kam das immer unwahrscheinlicher vor. Wenn er es aber nicht getan hatte, wo steckte er dann? Es war offensichtlich, daß es einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen in Uppsala-Näs und seinem Verschwinden gab. Mortensen hatte von Cederéns großer Arbeitsbelastung und seiner Verwirrung gesprochen. Die Frauen bei MedForsk hatten sich ebenfalls über Cederéns Gemütslage geäußert. Immer öfter sei er in seinem Büro geblieben und habe nicht an der gemeinsamen Kaffeepause teilgenommen. In letzter Zeit sei er kurz angebunden und mürrisch gewesen. Aber warum? War Josefins Schwangerschaft der Grund? Gab es Probleme mit der Geliebten?
Lindell nahm einen ersten Bissen von der Zimtschnecke und versuchte sich ein Bild vom Leben in Cederéns Villa zu machen. Sie: schwanger und allein mit Emily in der großen, unaufgeräumten Villa; er: untreu und mit Bergen von Arbeit. Außerdem hatte er ein Grundstück in der Dominikanischen Republik gekauft, was ein rätselhafter Vorgang blieb.
Ihr wurde klar, daß sie die Antworten bei MedForsk suchen mußte. »Geld«, murmelte sie. Das Unternehmen
Weitere Kostenlose Bücher