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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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herabhängend. Sie hörte Lachen und sah vier Jugendliche, die vor dem Schaufenster eines Möbelgeschäfts standen. Offensichtlich diskutierten sie über eines der ausgestellten Betten, zogen aber schnell weiter und verschwanden um die Hausecke.
    Vor dreißig Jahren waren hier zwei Jungen, Brüder, bei einem furchtbaren Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Lindell hatte die Geschichte von einem älteren Kollegen gehört, der als einer der ersten an der Unfallstelle eingetroffen war. Es war noch sehr früh am Morgen gewesen, und der einzige Zeuge war ein Taxifahrer, der mit seinem Wagen an einem etwa fünfzig Meter entfernten Laternenmast gestanden hatte.
    Die Erzählung ihres Kollegen hatte sich Lindell ins Gedächtnis eingebrannt, und jedesmal, wenn sie an dieser Kreuzung vorbeikam, dachte sie an die Brüder und den dritten Jungen in dem Wagen, den Fahrer, der den Unfall überlebte. Jeder Ort hatte seine Geschichte, und oft genug handelte sie von Trauer und Tod, aber die meisten Menschen, denen das nicht bewußt war, gingen – unterwegs zu ihren eigenen Orten und Erinnerungen – teilnahmslos vorbei.
    Als Polizist kannte man zahllose solcher Orte. Konnte sie den Alltag und die Menschen in dieser Stadt nicht mehr wahrnehmen, ohne daß dabei Bilder von Gewalt, Tragik in ihr aufstiegen?
    Ann Lindell setzte sich in ihr Auto und gelangte zu der Überzeugung, daß sie Edvard anrufen mußte. Mußte. Sie hatte keine andere Wahl. Warum sollte sie einen Mann verlassen, den sie trotz allem geliebt hatte und vielleicht immer noch liebte? Wie sollte sie sich sonst ihre Erregung und ihre Sehnsucht erklären, als sie Edvards Stimme auf dem Anrufbeantworter gehört hatte?
    Die Einsamkeit fraß sich immer tiefer in sie hinein, und obwohl sie es nicht zugeben wollte, hatte sie Angst davor, allein zu bleiben. Sie war nicht mehr ganz jung und würde es sich nie verzeihen, wenn sie an der Situation nichts änderte. Auch wenn sie ein Kind haben wollte, drängte langsam die Zeit. Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, von Edvard schwanger zu werden, egal, ob er nun wollte oder nicht, um ihn anschließend zu verlassen Edvard hatte seine Macken, aber er war sicher nicht schlechter als andere. Im Gegenteil. Er hatte viel von dem, wonach sie suchte. Sie mußte ihn anrufen, seine Stimme hören, ihn vielleicht treffen. Fuhr er denn nie in die Stadt? Sie konnten doch wenigstens einen Kaffee trinken gehen.
     
    Als sie nach Hause gekommen war, schaltete sie als erstes den Fernsehapparat ein. Sie hörte mit einem Ohr hin, während sie sich auszog. Der Wetterbericht versprach weiterhin warmes Sommerwetter. Sie roch an ihrer Achselhöhle und ging auf der Stelle ins Badezimmer. Die Toilettenspülung leckte seit ein paar Wochen. Sie hatte den Deckel abgeschraubt und in den Wasserkasten geschaut, ohne den Mechanismus zu verstehen. Sie beschloß, sich einen riesigen Merkzettel an die Kühlschranktür zu kleben. Der Hausmeister, falls es einen solchen gab, würde das Problem sicher in Null Komma nichts beheben können. Sie duschte lange, seifte sich gründlich ein, ließ warmes Wasser über ihren Körper rieseln und dachte an Edvard. Vielleicht könnte sie zwei Wochen ihres Urlaubs auf Gräsö verbringen? In der festen Überzeugung, daß es ein schöner Sommer werden würde, zog sie den Bademantel an. Sie hatte das Gefühl, daß die verdrängte Liebe zu Edvard von seinem Anruf wieder lebendig geworden war. Das gerötete Gesicht im Spiegel lächelte. Sie bürstete ihr Haar mit kräftigen Strichen und versuchte sich vorzustellen, was er gerade tat, wie er auf ihren Anruf reagieren würde. Ihr kam der Gedanke, daß er seine Sehnsucht nach ihr womöglich überwunden haben könnte und nur eine freundschaftliche Beziehung suchte. Das glaubte sie zwar nicht wirklich, aber bei dem bloßen Gedanken ließ sie die Haarbürste sinken und betrachtete sich im Spiegel. Dann begann sie wieder zu bürsten. Sie kannte ihn viel zu gut, um nicht genau zu wissen, daß er sie niemals anrufen würde, nur um ein wenig zu plaudern. Er liebte sie noch immer, so mußte es sein. Ich muß ihn anrufen, dachte sie und verließ das Badezimmer.
    Die Rotweinflasche, die sie vor zwei Tagen geöffnet hatte, war noch mehr als halbvoll, und sie schenkte sich ein Glas ein. Ehe sie davon trank, räumte sie ein wenig auf, goß die Blumen und wischte den Tisch ab. Der Fernseher lief noch, und sie ging ins Wohnzimmer und schaltete ihn aus. Ein Schluck Wein. Die Abendsonne schien durch die Jalousien

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