Das Steinbett
Außerdem erschien noch ein golfspielender Freund, auch er war bereits verhört worden. Er sprach ein paar Worte am Sarg. Cederéns Eltern schienen währenddessen immer kleiner zu werden, und eine bedrückende Stille breitete sich in der Kirche aus, nachdem die Trauerrede geendet hatte.
Lindell war noch ein wenig auf dem Friedhof geblieben, womöglich könnte die gesuchte Frau auftauchen, wenn die übrigen Trauergäste verschwunden waren. Aber auch diese Hoffnung blieb unerfüllt. Lindell erwog, den Friedhof überwachen zu lassen. Vielleicht würde sie ja doch noch an seinem Grab Abschied nehmen wollen. Aber sie hatten zu wenig Personal, als daß sie rund um die Uhr Polizisten nach Uppsala-Näs abstellen könnten. Wäre es um einen Mordverdächtigen gegangen, hätte man die Maßnahme unter Umständen genehmigt, aber nicht, um eine trauernde Geliebte zu finden.
Lindell bat für alle Fälle den Friedhofswächter, die Augen offenzuhalten und ihr Bescheid zu geben, sobald ihm eine blonde Frau auffalle, die Cederéns Grab besuche. Er erklärte sich dazu bereit, teilte ihr aber im gleichen Atemzug mit, daß er nur wenige Stunden auf dem Friedhof sei. Die Chancen standen also schlecht.
Warum meldet sie sich nicht? fragte sich Lindell, aber bei genauerem Nachdenken war das nicht weiter verwunderlich. Sie war, wenn auch nur indirekt, an Josefins und Emilys Tod und dem Selbstmord Cederéns beteiligt gewesen. Sie mußte darum anonym trauern, allein bleiben mit ihrer Verzweiflung. Schämte sie sich? Hatte sie vielleicht das Verhältnis beendet und Cederéns besinnungslose Tat dadurch erst ausgelöst?
Lindell wollte Antworten auf diese Fragen, wußte jedoch, daß sich ihre Chancen, die Frau zu finden, mit jedem Tag verringerten. Das Kommissariat begann den Fall als gelöst zu betrachten. Was blieb, war der Verdacht auf Wirtschaftskriminalität – das fiel nicht in ihr Ressort.
Mortensen stritt alles ab und schob jegliche Schuld auf die Spanier und auf die Turbulenzen im Zusammenhang mit dem Börsengang, den man erst einmal verschoben hatte. MedForsk war ins Wanken geraten. Die Firma hatte einen der besten Wirtschaftsjuristen eingeschaltet, um die verdächtigen Transaktionen in legale Bahnen zu pressen. Mehrere Beamte von der Wikri waren überzeugt, daß dies auch gelingen würde.
Die Arbeit im Kriminalkommissariat für Gewaltdelikte verlief wieder in gewohnten Bahnen. Ermittlungsakten, die man beiseite gelegt hatte, erschienen wieder auf den Schreibtischen, und Dateien wurden im Computer aufgerufen.
Es dauerte in der Regel ein paar Tage, bis Lindell und ihre Kollegen zur Normalität zurückfanden. In Gedanken hatten sie noch lange auf der Straße in Uppsala-Näs oder der Waldlichtung in Rasbo gestanden.
Lindell war unzufrieden. Es gab zu viele ungelöste Fragen. Das Gefühl, versagt zu haben, lähmte für eine Weile jede andere geistige Arbeit.
Im Grunde arbeitete sie zur Zeit an mindestens drei Fällen. In Wirklichkeit waren es mehr, aber sie schob die übrigen buchstäblich ab, auf einen Abstelltisch in der hintersten Ecke ihres Büros. Hin und wieder schaute sie jedoch verstohlen auf den Papierstapel.
Am intensivsten beschäftigte sie ein Drogendelikt, bei dem auch Nötigung und Körperverletzung eine Rolle spielten. Die Sonderkommission zur Bekämpfung des Straßenhandels mit Rauschgift, der es trotz aller Umstrukturierungen bislang gelungen war zu überleben, hatte phantastische Arbeit geleistet und eine Gruppe von Jugendlichen identifiziert, die den Markt im letzten Jahr mit Ecstasy versorgt hatten. Im Laufe der Ermittlungen tauchten drei Fälle von Körperverletzung, Nötigung, Freiheitsberaubung und illegalem Waffenbesitz auf. Die Akten wurden mit jedem Tag umfangreicher, und Lindell hatte viele Stunden damit verbracht, Material zu sichten, bei den Verhören dabeizusitzen und an den Besprechungen der Kollegen von der Drogenfahndung teilzunehmen.
Gemeinsam mit dem Staatsanwalt bereiteten sie die Anklage vor, gleichzeitig wurden weitere Verdächtige festgenommen. Das Ganze schien sich zu einem gigantischen Verfahren auszuweiten.
Trotzdem kam man während der Kaffeepausen und bei der morgendlichen Besprechung immer wieder auf Familie Cederén zurück. Vor allem Ola Haver mochte den Fall nicht einfach zu den Akten legen. Er wartete weiterhin auf einen Anruf aus dem Geschäft in Vallby.
Einzig und allein Schnipsel eines Briefs in spanischer Sprache waren noch aufgetaucht, man hatte sie in Cederéns Mülltonne
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