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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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rot. Lindell sah, wie die Fliegen das Elchkalb umschwirrten. Jeder Schritt muß eine Qual für das Tier sein, dachte Lindell. Die Elchkuh sah ihr Kalb an. Wußte sie, daß es verloren war? Sie schüttelte ein wenig den mächtigen Kopf, so als wolle sie sich über den Anblick ihres Kalbs beklagen.
    Lindell blieb wie versteinert hinter dem Baum stehen und beobachtete das geduldige Warten der Elchkuh, als das stark hinkende Kalb versuchte ihr zu folgen. Sie verschwanden wieder im Unterholz. Die Tragik des unausweichlichen Todes, dem das Jungtier entgegensah, rührte sie.
    »Das ist so verdammt grausam«, murmelte sie.

22
    Sie begannen ihre morgendliche Besprechung damit, daß sie die Ereignisse vom Vortag zusammenfaßten. Drei Hinweise waren aus der Bevölkerung von Rasbo eingegangen. Zwei konnte man gleich zu den Akten legen, aber der dritte Hinweis von einer Frau, die spätabends im Polizeipräsidium angerufen hatte, schien interessant zu sein.
    Die Frau wohnte ungefähr einen Kilometer von Gabriella Mark entfernt und hatte am Abend des 29. Juni, gegen acht Uhr, einen Wagen gesehen, den sie nicht kannte. Inklusive Marks gab es nur noch fünf Häuser hinter ihrem eigenen, so daß sie passierende Autos in der Regel erkannte.
    An diesem Abend war ein roter Wagen vorbeigefahren. Sie hatte ihn als einen kleinen Lieferwagen beschrieben. Mit Automarken kannte sie sich nicht aus, aber sie hatte nie zuvor ein Auto dieses Modells gesehen.
    Der Wagen war schnell vorbeigefahren, »viel zu schnell für unseren schmalen Schotterweg«, so daß sie nicht erkennen konnte, ob eine oder mehrere Personen im Auto saßen. Seltsam war, daß der Wagen nicht zurückkam, jedenfalls nicht, solange die Zeugin und ihr Mann wach waren, also bis halb zwölf. Außerdem behauptete sie, immer wach zu werden, wenn ein Auto vorbeifahre. »Bei uns kommen so selten Autos vorbei, daß man aufwacht, wenn man eins hört.«
    »Dem müssen wir nachgehen«, sagte Ottosson. »Das ist ein Job für Nilsson. Außerdem glaube ich, daß wir jemanden nach Spanien schicken müssen«, sagte er mit einem Ton, als spräche er von Verbannung.
    Vier Hände schossen in die Höhe. Wende, Beatrice, Sammy Nilsson und Jonsson von der Spurensicherung meldeten augenblicklich ihr Interesse an.
    »Schick Nilsson nach Rasbo und mich nach Spanien«, schlug Sammy vor.
    Ottosson setzte sein freundlichstes Lächeln auf. Sammy Nilsson hätte bereits vor ein paar Tagen in Urlaub gehen sollen, hatte aber selber vorgeschlagen, noch eine Woche zu arbeiten, so daß er allein schon deshalb für einen solchen Auslandsauftrag prädestiniert gewesen wäre.
    »Wir schauen mal«, meinte der Kommissariatsleiter und blickte verstohlen zu Lindell hinüber, die begriff, daß die Entscheidung bei ihr liegen würde.
    »Ich denke, wir schicken Ann«, sagte er.
    »Nein«, platzte sie heraus, »ich kann nicht.«
    »Du denkst natürlich, daß du hier unentbehrlich bist«, sagte Berglund, und er war wahrscheinlich der einzige, der einen solchen Kommentar abgeben konnte, ohne daß es unkollegial wirkte. Der Umgangston im Kommissariat war zwar in der Regel offenherzig und manchmal auch rauh, aber Lindells Kollegen hüteten sich, zu viele Scherze mit ihr zu treiben. Sie konnte mitunter ein wenig humorlos und launisch sein. Manchmal vertrug sie einen Spaß, manchmal war sie aber auch schnell beleidigt.
    »Natürlich kannst du fahren«, sagte Ottosson. »Hier läuft alles wie geschmiert weiter.«
    »Vielleicht triffst du ja einen hübschen Flamencotänzer«, bemerkte Sammy Nilsson und war mit dieser Bemerkung ein wenig zu weit gegangen, wie er ihrem wütenden Gesicht ablas.
    Beatrice legte die Hand auf Lindells Arm.
    »Fahr nach Malaga«, sagte sie leise. »Da unten sind es bestimmt dreißig Grad. Das wird dir guttun. Die sind doch nur neidisch.«
    »Ich kann nicht«, wiederholte Lindell.
    Sie hatte nach dem Aufstehen beschlossen, sich noch am gleichen Tag mit der Mütterfürsorge in Verbindung zu setzen, um endlich mit jemandem über ihre Schwangerschaft zu sprechen und sich beraten zu lassen. Jeden Tag, der tatenlos verstrich, empfand sie als mittlere Katastrophe. Sie hatte das Gefühl, immer mehr in die Breite zu gehen, obwohl sie zugeben mußte, daß sie ihrem Körper die Schwangerschaft nicht ansehen konnte, wenn sie ihn abends vor dem Spiegel in Augenschein nahm.
    Was sie wirklich quälte, war ihre Unentschlossenheit. Sie mußte das Problem anpacken, und zwar ebenso schnell und effektiv, wie sie ihre

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