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Das Sterben in Wychwood

Das Sterben in Wychwood

Titel: Das Sterben in Wychwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Dr. Thomas von der Liste der Verdächtigten streichen zu können. Dieser erlangte seine normale Farbe wieder und sagte rasch: «Da wir eben von Verbrechen sprachen – ich kann Ihnen da ein gutes Buch leihen, da Sie sich für das Thema interessieren, eine Übersetzung aus dem Deutschen, Kreuzhammers ‹Minderwertigkeit und Verbrechen›.»
    «Vielen Dank», sagte Luke.
    Dr. Thomas zog das Buch aus einem Fach.
    «Einige der Theorien sind ja etwas erstaunlich – und natürlich nur Theorien, aber wirklich interessant. Die Jugend von Menzheld zum Beispiel, dem Schlächter von Frankfurt, wie er genannt wurde, und das Kapitel über Anna Helm, Kindermädchen und Mörderin, sind außerordentlich interessant.»
    «Sie brachte ungefähr ein Dutzend ihrer Pflegebefohlenen um, ehe man ihr draufkam, glaube ich», sagte Luke. Dr. Thomas nickte.
    «Ja. Sie war eine höchst sympathische Persönlichkeit – Kindern äußerst zugetan, und scheinbar aufrichtig verzweifelt über jeden Todesfall. Die Psyche des Menschen ist etwas Faszinierendes.»
    «Es ist erstaunlich, dass diese Leute so lange nicht erwischt wurden», sagte Luke.
    Er stand bereits vor der Tür; Dr. Thomas hatte ihn hinausbegleitet.
    «Nicht wirklich erstaunlich», meinte Dr. Thomas. «Es ist ganz leicht, wissen Sie.»
    «Was ist leicht?»
    «Nicht erwischt zu werden.» Er lächelte wieder – ein reizendes, jungenhaftes Lächeln. «Wenn man achtgibt. Man muss nur achtgeben – das ist alles! Aber ein kluger Mann gibt eben außerordentlich acht, keinen Fehler zu machen. Das ist die ganze Kunst.»
    Er lächelte wieder und ging ins Haus.
    Luke stand da und starrte ihm nach.
    Es war etwas Herablassendes in dem Lächeln des Doktors gewesen. Während ihrer ganzen Unterhaltung war Luke sich seiner selbst als eines reifen Mannes bewusst gewesen und hatte Dr. Thomas als einen jugendlichen, offenen Menschen betrachtet.
    Nun empfand er einen Augenblick lang die Rollen als vertauscht; das Lächeln des Doktors war das eines Erwachsenen gewesen, der sich über die Klugheit eines Kindes amüsiert.

9
     
    L uke hatte in dem kleinen Laden an der Hauptstraße die neueste Nummer des Wochenblattes Good Cheer gekauft, dem Lord Whitfield einen großen Teil seines beachtlichen Einkommens verdankte. Luke hatte nach einem Blick auf die Footballergebnisse stöhnend mitgeteilt, dass ihm ein Gewinn von hundertzwanzig Pfund entgangen sei! Mrs Pierce war sofort voll lebhaften Mitgefühls und erzählte von ähnlichen Enttäuschungen, die ihrem Mann widerfahren waren.
    «Mein Mann interessiert sich sehr für Football. Schlägt immer zuerst diese Seite auf. Und hat, wie gesagt, viele Enttäuschungen erlebt; aber jeder kann nicht gewinnen, sag ich, und, sag ich, gegen Pech kann man nicht an.»
    Luke stimmte ihr in allem aus ganzem Herzen zu und meinte dann philosophisch, dass eine Sorge nie allein komme.
    «Nein, wirklich nicht, Sir, das weiß ich wohl», seufzte Mrs Pierce. «Wenn eine Frau einen Mann und acht Kinder hat – sechs lebende und zwei begraben, heißt das –, dann weiß sie, was Sorgen sind, das kann man wohl sagen.»
    «Zweifellos», sagte Luke. «Sie haben zwei verloren, sagen Sie?»
    «Eins erst vor einem Monat.»
    «Ach, wie traurig!»
    «Es war nicht nur traurig, Sir, es war ein großer Schrecken – das war es wohl! Mir ist ganz schlecht geworden, als man es mir beibrachte, da ich nie erwartet hätte, dass Tommy etwas Derartiges passieren könnte, denn wenn ein Junge einem Sorgen macht, denkt man nicht daran, dass er einem entrissen werden könnte. Also, meine Emma Jane, die war ein süßes kleines Ding: ‹Die bringen Sie nicht durch›, sagten mir die Leute, ‹die ist zu gut für diese Welt!› Und so war es auch, Sir. Der Herr erkennt die Seinen.»
    Luke nickte ernst und versuchte, von der engelhaften Emma Jane wieder zu dem weniger engelhaften Tommy zurückzukehren.
    «Ihr Junge ist erst kürzlich gestorben?» fragte er. «Ein Unglücksfall?»
    «Ja, es war ein Unglücksfall, Sir. Beim Fensterputzen in der Bibliothek muss er das Gleichgewicht verloren haben und ist heruntergefallen – von den oberen Fenstern war es.» Mrs Pierce ließ sich nun lang und breit über die Einzelheiten des Unfalls aus.
    «War da nicht irgendeine Geschichte», fragte Luke wie nebenbei, «dass man ihn auf dem Fenstersims hatte tanzen sehen?»
    «Jungen sind nun mal so – aber zweifellos bekam der Major einen Schrecken, besonders da er ein etwas nervöser Gentleman ist.»
    «Major Horton?»
    «Ja,

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