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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Doppelbettkoje, die sie gemietet hatten, war kein Platz
zum Stehen, deshalb brauchten sie eine Weile. Sie zogen sich an,
legten sich auf den Bauch und streiften die Rucksäcke
über, dann krabbelten sie rückwärts aus der Luke
und stiegen über eine zehn Meter hohe Leiter auf den Boden
hinab.
    »Merkwürdig«, meinte Janis, als sie den
langen, schmalen Gang zwischen den Schlafkojen durchquerten.
»Wie aufgegebenes Gepäck.«
    »Aufgegebene Passagiere.«
    Little Japan traf sie mit der Wucht eines Rockkonzerts, als
sie auf die Straße traten. Sie nahmen das Laufband,
wechselten häufig die Spur und bahnten sich einen Weg durchs
Gewühl. Moh ertappte sich dabei, dass er halb unbewusst eine
Körpersprache einsetzte, die ihnen einen kleinen Freiraum
verschaffte, ganz gleich, wie groß das Gedränge war.
Er gab es auf, die auf ihn einstürzenden Informationen und
die Festkörpersemiotik der Umgebung verarbeiten zu
wollen.
    »Bedrückend wirkt es nicht«, sagte er.
»Dazu ist es zu fremdartig.«
    »Die tun was ins Essen«, entgegnete Janis.
»Das blockiert die
Anti-Menschenauflauf-Pheromone.«
    Es ärgerte ihn, dass er nicht erkennen konnte, ob sie
scherzte oder es ernst meinte.
    Der LKW-Park, in einer Art Niemandsland zwischen Little Japan
und einem eher multikulturellen Gebiet gelegen, vermittelte
beinahe den Eindruck von Bewegungsfreiheit. Der
Durchschnittsabstand zwischen den Menschen betrug etwa einen
Meter. Die riesigen Laster luden gerade ihre Batterien auf, die
Fahrer trödelten herum, die Straßenhändler
handelten.
    »Ja, die Wunder des freien Markts«, nörgelte
Janis, als sie nur knapp einem Tablett mit heißen
Getränken ausweichen konnte, das ein Fünfjähriger
mit beängstigender Geschwindigkeit auf dem Kopf durchs
Gewühl balancierte.
    »So frei wie er scheint ist er gar nicht«, meinte
Moh. »Diese Orte werden von Banden beherrscht. Zweifelhafte
Zuständigkeiten und so.«
    Sie näherten sich dem gesuchten kleinen Container-Truck,
der am Rand des Parkplatzes in der Nähe der
Zufahrtsstraße stand. Der Fahrer steckte ein Magazin in die
Tasche und erhob sich verlegen.
    »Hi«, sagte Kohn. »River Valley. Sie haben
uns erwartet?«
    Der Mann nickte lächelnd. Er reichte Moh den
Schlüssel, nahm die Empfangsbestätigung entgegen und
ging davon, anscheinend aber nicht zur nächsten
Bahnstation.
    Janis und Moh kletterten ins Führerhaus. Der Laster
gehörte einer Mietfirma und ging durch viele Hände
– das sah man auf den ersten Blick. Moh kam eine Idee. Er
reichte den Zündschlüssel Janis.
    »Du fährst«, sagte er.
    Janis nahm den Schlüssel mit einem affektierten Grinsen
entgegen und steckte ihn mit pompöser Geste ins Schloss. Der
Motor erwachte mit einem leisen Summen zum Leben.
    »Uh«, machte sie. »Das klingt ganz anders
als in den Filmen, die ich in meiner Jugend gesehen habe.«
Sie imitierte Motorengeräusche, während der Laster auf
die Straße glitt.
    »Nee«, meinte Moh und legte den Gurt an.
»Damals war das noch ein richtiger Männerjob –
pah, hör endlich auf damit…«

 
12
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Die Städte der Schönen
     
     
    Es gab tatsächlich eine Mauer, die Stonewall Dykes
genannt wurde, doch sie diente eher dazu, Menschen am
versehentlichen Betreten zu hindern, als jemanden aus- oder
einzusperren. In der alten Zeit der Panik hatte sie eine
ernsthaftere Funktion gehabt, nun aber handelte es sich eher um
Retroviren-Chic – ein Quarantänelager. Der eigentliche
Schutz des Gebietes – welches das Gay Ghetto, die Rosa
Gemeinde und das Schwule Viertel umfasste – lag in den
starken, sanften, erfahrenen Händen einer Miliz mit Namen
Grobe Klötze.
    Der Laster bog von der Schnellstraße in eine
Nebenstraße ein, fuhr an einem Mauerabschnitt vorbei, auf
dem zu lesen stand: ›Heute Sodom – morgen
Gomorrha!‹, dann waren sie drin. Eine ganz normale
Straße, bloß dass auf einmal keine Frauen mehr zu
sehen waren. Ein Stück weiter gab es keine Männer mehr;
noch ein Stück weiter, und es gab beide Geschlechter,
bloß dass man vor lauter Fummel nicht erkennen konnte, wer
welchem angehörte.
    »Was ist der Unterschied zwischen dem Leben hier und dem
draußen?«
    »Es gibt keinen, das ist es ja. Nichts ist seltsamer als
die Leute, wie man im Norden sagt…«
    »Ach, sei doch still. Das habe ich nicht gemeint. Was
ist der Unterschied zwischen diesen spezialisierten Gemeinwesen
oder wie man die nennt und den Mini-Staaten?«
    »Es gibt keine

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