Das Sternenprogramm
mittels der weiblichen Tugenden ein: dazu zählen neben der
Häuslichkeit Sanftheit, Fürsorglichkeit,
Selbstbescheidung: die Sublimierung der psychischen Energien in
Kunst, Schmuck, Zierrat… Sämtliche umweltschonenden,
fesselnden Aktivitäten. Wie zum Beispiel das Sticken, das
viele als erfüllende Lebensaufgabe betrachten, während
die eingesetzten materiellen Ressourcen dabei
vernachlässigbar sind… außerdem ist das Produkt
wertvoll, besonders für reiche Sammler.«
»Und wie passen da die Männer hinein?«
»Ach, sie versuchen gar nicht, uns einzupassen. Die
Frauen gehen uns bloß mit gutem Beispiel voran. Und wir
erbringen mit unseren Aktivitäten und Interessen einen
untergeordneten, dienenden Beitrag, so wie früher die
Frauenarbeit der männlichen Wirtschaft gedient hat –
viele Frauen verdienen auf diese Weise draußen ihr Geld:
als Lehrerinnen, Krankenschwestern,
Sekretärinnen…«
»Und als Bankkassiererinnen?«
»Schon möglich.«
»Wirkt auf mich ein bisschen sexistisch.«
Anderson lachte. »Also, den Begriff habe ich schon lange
nicht mehr gehört.«
Sie betraten einen großen, niedrigen Raum, der etwas von
einer Fabriketage hatte. Mehrere Dutzend Frauen arbeiteten
konzentriert an Nähmaschinen. Einige von ihnen fertigten
offenbar Kleidungsstücke an, doch selbst Kohn konnte
erkennen, dass die großen Seidenbahnen einem anderen Zweck
dienten. Gleichzeitig hielt er Ausschau nach Cat, freilich
vergeblich.
»Sonnenzelte, Baldachine«, erklärte Anderson.
»Sind sehr beliebt bei Gartenparties der gehobenen
Gesellschaft.«
Sonnenzelte? Moh prägte sich einige der Zuschnitte
ein und überließ es seinem Unbewussten, sich weiter
damit zu beschäftigen. Und noch etwas anderes passte hier
nicht ganz. Andersons Vorstellungen waren zu dämlich und zu
vernünftig zugleich: die Feministinnen gaben zwar einigen
sehr altmodischen Vorstellungen einen subversiven Dreh, doch den
von ihm dargelegten Grundsätzen mangelte es an der
verführerischen, das Faktische negierenden Doofheit der
Ideologie. (Männer sind frei. Männer sind gleich.
Männer sind Schweine.) Aber vielleicht
überschätzte Moh ja die menschliche Spezies:
»Falls es eine Verrücktheit gibt, die noch nicht
formuliert wurde«, pflegte sein Vater zu sagen, »wird
ihr irgendwann eine kleine Sekte Ausdruck verleihen.«
Eine Frau schloss sich ihnen an. Sie stellte sich als Valery
Sharp vor und bezeichnete sich als Hausverwalterin. Sie war klein
– zierlich, verbesserte Kohn sich im Stillen – und
hübsch, der Typ der verherrlichten Hausfrau aus einer alten
Spülmittelreklame: Ginghamkleid, Schürze mit
Blumenmuster, blonde Locken, die von einem gestärkten
Baumwolltuch gebändigt wurden. Sie schickte Stuart für
die Dame im Laster Kaffee holen und geleitete Kohn in ihr kleines
Büro, das an die Werkhalle grenzte.
»Hübsch, nicht wahr?«, bemerkte sie munter
und schloss die Tür. Sie nahm hinter einem Schreibtisch
Platz und bot Kohn einen Sessel an. »Irgendwann werden alle
Büros so aussehen.«
Der Schreibtisch wirkte eher wie ein Toilettentisch. Er war
von einem gefransten Volant umgeben. Auch die Fransen hatten
Fransen. Der Sessel war in ein mit Schleifen befestigtes Tuch
gehüllt; die weiße Tapete war mit rosafarbenen
Rosenknospen verziert; es roch durchdringend nach Jasmin. Kohn
hatte das Gefühl, ihr Schlafzimmer betreten zu haben. Er
wollte gar nicht wissen, wie es dort aussah.
»Das wäre mal etwas anderes«, meinte er
aufrichtig. Er stellte sich vor, wie sich die ganze Welt diesem
Stil zuwandte: Rosen um jede Haustür, jeder Lufthauch mit
Parfüm geschwängert, Männer und Maschinen emsig
damit beschäftigt, den Frauen das nötige Material zu
beschaffen, damit sie sich unaufhörlich herausputzen,
schön machen und aufdonnern konnten… Er sollte der
Weltraumbewegung wirklich mehr von seinem Einkommen spenden.
Valery lächelte gequält. »Bisweilen geht es
mir auch auf die Nerven«, sagte sie.
Kohn blickte sie an, erstaunt über das
Eingeständnis. Er zögerte, ihr gegenüber zu
erkennen zu geben, dass er über ihre Verbindung zur ANR
Bescheid wusste.
Valery blickte ihn offen an und setzte langsam und mit
deutlicher Betonung hinzu: »Civis Britannicus
sum.«
Kohn starrte sie verblüfft an. Der Satz war nicht gerade
ein geheimes Passwort, kam einem solchen aber recht nahe: er
hatte noch nie erlebt, dass ihn jemand ohne besondere Absicht
zitiert hätte. Er
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