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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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spähte durch das klaffende Loch in der Scheibe auf den
Fleischberg auf dem Mittelstreifen hinunter.
    Er blickte Janis an.
    »Das war gefährlich«, sagte er. »Du
hättest jemanden töten können.«
    Sie schaute sich um, während Kohn ein volles Magazin
einsetzte.
    »Wir sind jetzt in der Armee«, erwiderte sie, dann
wandte sie sich wieder dem Mann zu ihren Füßen zu.
    »Deshalb darfst du ihn doch nicht einfach
erschießen! Er ist wehrlos!«
    Janis schüttelte sich und trat einen Schritt zurück.
»Schon gut, schon gut.« Vorsichtig löste sie
eine Automatik und ein feststehendes Messer mit Scheide vom
Gürtel des Mannes und wälzte ihn von dem gebrochenen
Arm herunter. Er hatte bereits das Bewusstsein verloren.
    Sie rannten den Weg zurück, den sie gekommen waren. Janis
hielt sich in Deckung, während Kohn sich kriechend der
Treppe näherte und mit Hilfe des Gewehrsensors um die Ecke
blickte. Niemand zu sehen. Sie stiegen die Treppe hinunter und
durchquerten Rücken an Rücken das Foyer. Bislang hatte
noch niemand auf den Feueralarm reagiert. Ihnen konnte es nur
recht sein.
    Die Raststätte sah aus, als sei eine Gasbombe
eingeschlagen. Alles war intakt, aber überall lagen Leichen
herum. Die vorbeifahrenden Fahrzeuge wirkten automatikgesteuert:
fahrerlos. Diese Zivilisten hatten wirklich gute Reflexe. Kein
Hindernis zwischen dem Ausgang und dem Laster, abgesehen vom
Cadillac und dem Agenten, den Janis erschossen hatte. Sie traten
hinter ein geheimnisvolles Objekt, eine Art Betonwanne,
gefüllt mit festgestampfter Erde. (Kohn hatte stets
vermutet, diese Dinger sollten bei Schießereien als Deckung
dienen.) Er zielte daran vorbei und feuerte noch ein paar
Schüsse in den reglosen Körper.
    »Ich gehe als Erster«, sagte er. »Gib mir
Deckung.«
    Er überquerte die Freifläche, als tanze er mit einer
unsichtbaren Partnerin: vor und stopp, drehen, hinfallen,
abrollen, springen, rennen, herumschwenken… Er hatte den
Man in Black gerade passiert, als dieser Hand und Kopf hob. Ein
Pistolenschuss verfehlte haarscharf sein Ohr. Kohn blickte sich
zu dem Mann um – dunkle Haut, dunkler Anzug, dunkle, sich
ausbreitende Flecken, mit zitternder Hand nach einer weiteren
Waffe tastend. Manchmal war auf das Gewehr doch kein Verlass. Er
zielte sorgfältig, und schon flog die Pistole des Agenten
durch die Luft. Der Mann reckte stöhnend seine zerfetzte
Hand. Kohn ging achselzuckend zum Truck hinüber. Der Motor
lief noch. Er winkte Janis zu. Sie kam herübergelaufen; ihr
einziges Ablenkungsmanöver bestand in einem weiten Bogen um
den Mann, den zu töten sie beide nicht geschafft hatten.
    Als sie losfuhren, rannte der zweite Agent vor ihnen vorbei.
Kohn machte einen Schlenker, um ihn über den Haufen zu
fahren, verfehlte ihn jedoch. Bevor sie wieder auf die Autobahn
einbogen, beobachtete er im Rückspiegel die Verklärung
des Cadillacs; ein leuchtender Strahl von der Farbe des Autolacks
hüllte ihn ein, ein Strahl, der geradewegs aus dem Himmel
herniederstieß.
     
    Janis schaute ihre Hände an. Sie zitterten, und sie
konnte nichts dagegen tun. Kein Wunder, dachte sie verärgert
und blickte zu den vor ihnen fahrenden Fahrzeugen hinaus. Von der
Brille mit geradezu grafischer Schärfe gezeichnet, hatten
die Farben der dahinkriechenden, im Reisetempo fahrenden,
zurückfallenden und überholenden Limousinen, Laster und
Tankwagen im Dunkeln einen spektralverschobenen Stich. Langsam
relativ zueinander, unglaublich schnell vom Straßenrand aus
betrachtet, aus der Perspektive der Fußgänger. Oder
aus der eines Reiters. Bei dem Gedanken musste sie
lächeln.
    Sie wandte sich Kohn zu. Er sprach gerade in ein Mikrofon, das
vor seinen Lippen hing. Als er bemerkte, dass sie ihn ansah,
verstummte er.
    »Ich habe gerade mit dem Gewehr geschimpft«, sagte
er. »Ich glaube, es hat sich zum Pazifisten
gewandelt.«
    Er schaute so ernst drein, dass Janis lachen musste.
    »Ich habe alles noch einmal Revue passieren
lassen«, fuhr Kohn fort, »und mir scheint, ich habe
auf den Kopf und nicht auf das Bein des Reiters gezielt, der es
auf dich abgesehen hatte. Das Gewehr sagt, es habe auf das
größere bewegliche Ziel gezielt. Die Frau, die mich
angegriffen hat – ich wollte sie niederknallen, aber das
Gewehr hat mir signalisiert, es bleibe keine Zeit mehr zum
Feuern. Deshalb habe ich ihr stattdessen das Schlüsselbein
gebrochen.«
    »Ich habe nicht eingegriffen, als du den MIB erledigen

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