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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Menschen, die
jetzt noch hier lebten, gehörten zur ANR. Es war nicht
unbedingt eine Frontstadt – es gab keine Front –,
doch sie lag an einer stillschweigend akzeptierten Grenze eines
der Gebiete, aus denen die Republik bestand. Eine kontrollierte
Zone.
    Zwei Fahrzeuge warteten am Kai. Das eine war ein Laster, der
die Ladung übernehmen sollte. Das andere war eine Art Jeep,
ein so genanntes Humvee. Janis und Moh standen unschlüssig
mit ihren Rucksäcken und Waffen am Kai. Ein großer und
ein kleiner Mann stiegen aus dem Humvee aus und näherten
sich ihnen.
    Der große Mann trug einen dunklen Overall mit mehreren
kleinen Abzeichen – nationale und solche der Partei –
an der Brusttasche. Sein Aufzug kam einer ANR-Uniform recht nahe,
und nach der großen Zahl und der Kleinheit der Abzeichen zu
schließen, hatte er einen sehr hohen Rang inne. Ein
fleischiges Gesicht – mehr Muskeln als Fett, ein
entspannter Mund, geplatzte Äderchen an den Wangen. Der
kleine Mann verschwand beinahe in dem weiten Mantel, dessen von
der Krempe eines Homburgs beschattetes zartknochiges Gesicht die
Glut einer Zigarette erhellte. Dieses Aussehen war bloß
einem Volk zu eigen.
    Der Große schüttelte erst Janis und dann Moh
lächelnd die Hand. Ihre Namen kannte er bereits.
    »Willkommen in der Republik«, sagte er. »Ich
bin Colin MacLennan. Ich möchte Sie einem Mann vorstellen,
der Sie gern kennen lernen würde.« Er wandte sich mit
schwungvoller Gebärde an den kleinen Mann.
    »Unser wissenschaftlicher Berater, Doktor Nguyen Thanh
Van.«
     
    »Wir müssen den Einfluss des Gnostizismus
natürlich genau betrachten, denn dort zeigt sich eine starke
Gegenposition zu Paulus’ Frauenhass, okay, die sich
später in den so genannten Hexenprozessen des Mittelalters
manifestierte…«
    Bleibtreu-Fèvre rutschte seitlich ab, suchte
verzweifelt nach Halt, bekam ein Büschel zu fassen, das
offenbar aus Haar bestand, und wurde zum fünften Mal
abgeworfen. Er rannte dem Tier hinterher und saß wieder
auf, während die Anarcho-Barbarin höflich wegsah.
Beinahe wäre es ihm lieber gewesen, er wäre wie
Aghostino-Clarke am Pferdehals festgebunden gewesen. Wären
sie beide hilflos gewesen, hätte er diese Typen allerdings
nicht davon abhalten können, sie abzuschlachten und die
Bionik auf dem Schwarzmarkt zu verhökern.
    Die Pferde stapften über einen Pfad, der zwischen den
Birken kaum zu erkennen war, den Hang hinunter. Aus dem
Geäst tropfte es, was ihn zusätzlich irritierte. Sobald
er wieder einigermaßen sicher im Sattel saß, fuhr
Dilly Foyle, die Anführerin der Gruppe, fort, ihre
politischen Vorstellungen zu erläutern. Sie war eine NF,
eine Nationalfeministin. Das Patriarchat, so hatte sie ihm
bereits ausführlich dargelegt (bislang fünf Kilometer
weit), sei eine Erfindung der Juden, wie man der Bibel klar
entnehmen könne. Diese habe die entkräfteten
Stadtbewohner bei ihrem Kampf gegen die freien Barbaren
unterstützt und die freien Barbarenmänner gegen die
freien Barbarenfrauen aufgewiegelt. Sie hatte bereits ihre
Schätzung der für den Planeten optimalen
Bevölkerungsdichte abgegeben: etwa fünfzig
Millionen.
    »… setzen sich vor allem, jedoch nicht
ausschließlich, diejenigen Leute für das Stadtleben
ein, das den Ruin der Welt bedeutet, die sich angepasst haben,
man könnte sogar sagen, die so weit degeneriert
sind…«
    Da würde ich drauf wetten, dachte er.
    »… dass sie mit der Abhängigkeit
zurechtkommen, und es gibt nur eine Volksgruppe, die ohne
Unterbrechung über Tausende von Jahren hinweg in
Städten gelebt hat. Also, ich bin keine Antisemitin, weit
gefehlt, aber ich glaube, es ist kein Zufall, dass Sozialismus
und Kapitalismus die beiden bedeutendsten Ideologien des
Industriezeitalters sind, und wenn man bedenkt, dass Tony Cliff
in Wirklichkeit Ygael Gluckstein und Ayn Rand Alice Rosenbaum
hieß…«
    Er fiel schon wieder herunter. Nach einigen weiteren
Stürzen und einer statistischen Analyse der ethnischen
Zusammensetzung der Besitzverhältnisse der Medienlandschaft,
die nur zu etwa hundert Prozent danebenlag, erklärte
Bleibtreu-Fèvre halblaut, er werde sich der Sache so bald
wie möglich annehmen. Foyle dankte ihm für sein
Interesse und verfiel in ein nachdenkliches Schweigen, das ihn
noch mehr beunruhigte als ihr Geschwätz.
    Es ist besser, eine Stadt niederzubrennen, als die Dunkelheit
zu verfluchen… wo hatte er das noch gleich

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