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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Kohn.
    »Und dann legen wir sie um?«
    »Du gehst ganz schön ran, findest du
nicht?«
    Das Zwielicht verwandelte sich in dem Moment in Dunkelheit,
als der Truck in den Bereich der Halogenstrahler der
Raststätte hineinglitt. Janis beneidete Kohn um seine
VR-Brille. Sie konnte den Schriftzug an der Seite erkennen: mil spec 0053/09008. Kohn hielt erst an den
Tanksäulen, bezahlte in bar für Dieselöl und
geladene Batterien, die er gegen die leeren austauschte.
    »Das hätte ich auch nötig«, meinte
Janis.
    »Also, für den Körper gibt es noch keine
Austauschteile«, sagte Kohn. »So weit geht das
Recycling noch nicht.« Er ließ den Motor wieder an
und steuerte die Parkplätze an.
    »Unsere Freunde sind dort drüben«, meinte er
und deutete in einen dunklen Winkel des Parkplatzes, wo Janis
nichts erkennen konnte. »Sitzen immer noch im Wagen.
Wahrscheinlich essen und scheißen sie nicht, sondern
brauchen bloß einen Ölwechsel alle zehntausend
Kilometer.«
    »Ich wünschte, ich hätte eine
Militärbrille«, sagte Janis. Sie begriff nicht,
weshalb Kohn schallend lachte, reagierte aber mit Erleichterung,
als er in seinen Rucksack langte und eine weitere Brille
hervorholte.
    »Das ist meine einzige Ersatzbrille«, sagte er,
nachdem er ihr die Funktionsweise der Wangensteuerung
erklärt hatte. »Pass gut drauf auf.«
    Er klemmte sich den Helm unter den Arm.
    »Stell die Brille auf Sonnenschutz«, sagte er.
»Dann wirken wir wie Touristen.«
    »Wie schwer bewaffnete Touristen.«
    »Andere gibt’s hier nicht.«
    Janis sprang auf den Asphalt hinunter, wandte sich zur
Cafeteria und schaute sich gleichzeitig um. Die Brille
polarisierte nicht bloß das Licht, sondern integrierte es,
milderte die Gegensätze: das Helle wurde gedämpft, das
Dunkle aufgehellt.
    »Die ist brillant!«
    »Dann dreh die Leistung ein bisschen runter.«
    »Ha, ha. Wie funktioniert die eigentlich?«
    »Keine Ahnung, aber ich vermute, dass sie im
eigentlichen Sinn nicht durchsichtig ist – die Vorderseite
besteht aus einer Vielzahl von Mikrokameras, die Innenseite ist
ein Monitor, und dazwischen befindet sich ein
Nanoprozessor-Diamantfilm.«
    Janis blieb draußen vor der Toilette stehen und blickte
zum pinkfarbenen Cadillac hinüber.
    »Hm«, machte sie. »Die essen Doughnuts und
trinken Kaffee aus einer Thermoskanne. So viel zu deiner
Theorie.«
    »Das wollen sie uns nur glauben machen«, meinte
Kohn.
    Janis sah noch einmal hin. Ein Schwarzer und ein
Weißer.
    »Ich bin sicher, das sind die, die bei mir im Labor
waren«, sagte sie. »O Mann, wenn ich mir vorstelle,
welch weiten Weg ich zurückgelegt habe, um sie
loszuwerden.«
    »Du bist sie losgeworden«, entgegnete Kohn. Er
stupste sie an. »Mach dir deswegen keine Sorgen.«
    An der Essensausgabe mussten sie nicht lange warten.
    »Zehn Mark!«, bemerkte Kohn empört.
»Pro Person!«
    »Sei nicht so knickerig!«
    »Für das Geld habe ich Blut vergossen.«
    Sie setzten sich an ein Glasfenster, so dass sie den Wagen und
den Truck im Auge behalten konnten. Die Brillen filterten auch
die Reflexionen weg. Janis fand es verwirrend, vom
leuchtstreifenerhellten Inneren – wo die LKW-Fahrer hastig
und die Familien langsam aßen und die Kinder umherliefen
und die Gäste daraufhin taxierten, ob sie User waren oder
nicht – zu den geparkten oder im Schritttempo
vorbeifahrenden Fahrzeugen hinauszublicken, als wäre es ein-
und dieselbe Szenerie. Welche Auswirkungen, überlegte sie,
hatte es, wenn man jahrelang auf diese Weise sah – keine
Schatten, keine Reflexe, nahezu keine Dunkelheit? Es passte ins
Bild, es erklärte zumindest einen Aspekt von Kohns –
nun ja, Weltsicht.
    Bei dem Gedanken musste sie lächeln, und Kohn
lächelte zurück.
     
    Bleibtreu-Fèvre streifte sich Zucker von den
Fingerspitzen, leckte daran und schraubte den Plastikbecher
wieder auf die Thermoskanne auf. Das verdammte Ding tropfte
wieder mal nach. Seufzend wandte er sich seinem Kollegen zu,
Aghostino-Clarke. Sein Begleiter war genau wie er gekleidet, mit
schwarzem Jackett und Hose, weißem Hemd und einer Krawatte
in der Farbe von Kaffeeflecken. Sein Anzug zeigte an den falschen
Stellen Spuren von Verschleiß. Seine Haut war sehr schwarz
und seine Augen sehr braun.
    Es war ein Glück, dass man sie präpariert hatte;
andererseits, überlegte Bleibtreu-Fèvre
selbstgefällig, half Vorbereitung dem Glück auf die
Sprünge. Als Donovan ihnen telefonisch mitgeteilt hatte,

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