Das Sternenprogramm
Hunderte von Leuten durch diese Räumlichkeiten
geführt, und niemand hat etwas bemerkt.« Valery
schnaubte. »Er hat sich von der Republik anwerben lassen,
da muss er es uns sagen.«
»Und was kannst du mir sagen?«, beharrte Cat.
Valery blickte sie stirnrunzelnd an. »Ich weiß
nicht«, meinte sie. »Ich muss erst ein paar Dinge
checken. In der Zwischenzeit…« Und sie schlug vor,
Cat solle in dieses zwar gemeinschaftlich genutzte, aber
abgelegene Arbeitszimmer gehen. Eine Ecke war Näharbeiten
vorbehalten, ausgestattet mit der Nähmaschine, einer
Schneiderpuppe und einer Kommode voller Stoffe. In der
gegenüberliegenden Ecke standen ein Computerterminal und
eine verschlossene Diskettenbox. Die Wände zeigten ein
apfelgrünstichiges Weiß; die eine Wand nahm ein
großer Fernsehbildschirm mit einer eindrucksvollen Vielzahl
von Abonnentenzusätzen ein.
Sie bewegte den Cursor auf , worauf sich der
Munitionsgürtel der Nähmaschine ratternd in Bewegung
setzte, bis die entsprechende Garnspule einrastete. Der Faden
wurde von einer klickenden Pinzette gepackt und durch
Führungen und das Nadelöhr gezogen.
»Anfangen«, sagte die Maschine mit
verständlicher Blasiertheit.
Für eine Weile verlor Catherin jedes Zeitgefühl; ein
Teil von ihr nahm die Farbschattierungen und Schnittmuster wahr,
während ein anderer Teil ganz woanders weilte. Nun verstand
sie, wie es den Schwestern gelang, ihre scheinbar frivolen
Beschäftigungen mit ihrer…
Haupttätigkeit zu vereinbaren, die darin bestand,
kühl und logisch über Logistik und Politik, Strategie
und Taktik nachzudenken.
Was sie nun ebenfalls tat. Sie hatte geglaubt, sie habe Moh in
eine Falle gelockt, und musste nun feststellen, dass sie selbst
hereingelegt worden war – zunächst von der ANR, dann
vom BLK. So viel sie wusste, stand es ihr jetzt, da ihre
Berufsehre wiederhergestellt war, frei zu gehen. Sie war in den
Datenbanken des Komitees für sozial-ökologische
Interventionen wieder als Söldnerin gespeichert – das
hatte sie nachgeprüft, nachdem der Miet-Cop ihr Mohs
Empfangsbestätigung gegeben hatte. Allerdings hatte sie
nicht die Absicht, wieder für die BLK zu arbeiten,
Einheitsfront hin oder her. Es lag auf der Hand, dass Donovan es
auf Moh abgesehen hatte und dass sich irgendeine verflucht
große Sache – groß und blutig –
abzeichnete.
für den Schriftzug. «90
mm.Serif.»
Den ganzen Sommer über bis in den Herbst hinein hatte es
Gerüchte über eine weitere Endoffensive der ANR
gegeben. Ausgehend von der höchst vernünftigen Annahme,
die Offensive werde überraschend losbrechen, hatte sie die
Geschichte abgetan, obwohl sie selbst zu ihrer Verbreitung
beigetragen hatte. Ihrer Ansicht nach war das nicht
unverantwortlich gewesen. Vielmehr stellte es legitime
Desinformation dar, denn das Linksbündnis, die von einer
Faktion des offiziellen Flügels der Labour Party gezimmerte
breit gefächerte Koalition, plante definitiv einen
heißen Herbst mit Demonstrationen und Fraternisierungen,
durchsetzt mit ein paar tollkühnen bewaffneten Aktionen der
Rosenroten Brigaden. Das behaupteten zumindest die staatlichen
Medien, während die freien Medien es bestritten und
bestätigten und darüber debattierten.
Der Schriftzug war fertig. Sie betrachtete ihn lächelnd.
Jetzt die Stickerei noch umrahmen und die Leerräume
ausfüllen.
Alles, um den Gegner so konfus zu machen, wie wir bereits
sind. Wo wir gerade bei der armen, beschissenen Infanterie sind.
Auf einmal verspürte sie Ärger auf alles, auf die
Täuschung, die Manipulation und die Berechnung, das
Geschachere und die Distanzierungen, auf die Gewalt, die
verwundbarem menschlichem Fleisch zugefügt wurde.
Irgendetwas an der vorgeschobenen Geschichte der Feministinnen
hatte sie wahrhaft angezogen, wie ihr jetzt klar wurde, die
Tünche und die Schleier, mit denen sie die Sehnen des
Krieges verhüllten.
Es war fertig. Cat blickte aufs Uhrenicon, erstaunt
darüber, wie viele Stunden verstrichen waren. Sie
schnippelte, vernähte die letzten Fäden und nahm die
Jacke aus der Maschine. Sie stand auf, hielt die Jacke auf
Armeslänge vor sich und bewunderte sie ausgiebig, dann legte
Janis sie sich um und bewunderte sie erneut, diesmal über
die Schulter in einen Spiegel blickend.
»Das ist richtig gut.«
Sie wandte sich rasch um und bemerkte in der Tür Valery.
Die Jacke
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