Das Sternenprogramm
wir das? Wir wissen es, weil wir zuschauen.
Die ganze Welt schaut zu. Vor ungefähr fünfzig Jahren
entwickelte in Edinburgh jemand eine Videokamera von der
Größe einer Münze. Ein paar Jahre später
wurden diese Kameras massenweise gefertigt und wurden Jahr
für Jahr kleiner und billiger. Sie tauchten auf den
Schlachtfeldern Mitteleuropas auf, in den Folterkammern der
amerikanischen Staaten, auf den ausgedörrten Ebenen
Afrikas.
Mittlerweile sind sie so klein, dass man jemanden Stück
für Stück auseinander nehmen kann, bevor man bemerkt,
dass eine der Schaben auf dem Boden in Wirklichkeit ein
Nachrichtensammler mit Biochip war, der mit ein paar
hochinteressanten Bildern nach Hause eilt. Und dass das eigene
Gesicht im Satellitenfernsehen erscheint, dass der eigene
genetische Fingerabdruck in frei zugänglichen Datenbanken
gespeichert ist und dass verschiedene sozial engagierte, wenn
nicht gar – ha, ha – staatlich finanzierte Agenturen
ein Kopfgeld auf einen ausgesetzt haben. Bedenkt einmal
Folgendes: Es gab eine Zeit, da hatten Folterer bloß die Briefe von Amnesty International zu fürchten!
Während es früher einmal möglich war, ganze
Länder wie beispielsweise Laos zu bombardieren, ein Zehntel
der Bevölkerung – siehe Kambodscha – oder gar
ein Drittel wie in Osttimor auszulöschen und gleichzeitig
erfolgreich zu leugnen, dass dies alles überhaupt
stattgefunden hatte (ein angesehener Linguist hat dies einmal als
›Fortschreibung der Leugnung des Holocaust‹
bezeichnet), sah es nun ganz anders aus. Das stille Töten
hörte auf. Das Blut trocknete an den Wänden der
Folterkammern. Dem Verhungern musste ein Ende bereitet werden,
und so geschah es auch, mit der gleichen Effizienz und
häufig mit der gleichen Ausrüstung wie das frühere
Morden.
Und dann wurden die ersten großen Entdeckungen dieses
Jahrhunderts gemacht, den Einsatz der Atomwaffen betreffend. Bis
dahin gab es keine Einsatzmöglichkeiten dafür. Sie
dienten der Bedrohung, der Abschreckung – auch Hiroshima
und Nagasaki stellten in gewisser Hinsicht lediglich eine Drohung
dar. Eine Demonstration des Schreckens. Nun aber fand ein
unbekanntes Genie in Aserbaidschan heraus, wofür die
Atomwaffen tatsächlich taugten. Und zwar für
innerstaatliche Massaker. Für innerstaatliche Massaker mit
taktischen Atomwaffen. Das Ergebnis kennen wir.
Natürlich musste dem ein Ende bereitet werden. Daher die
nächste große Entdeckung: eine Einsatzmöglichkeit
für weltraumstationierte Laser und Nuklearwaffen.
Ursprünglich sollten sie dazu dienen, den kommunistischen
Block in die Armut zu treiben, was sie auch taten, und kurz
darauf trieben sie die USA in den Bankrott – und zwar noch
bevor sie überhaupt gebaut worden waren! Wie die
mythische Tachyonenbombe, die das Ziel noch vor dem Abwurf
zerstört, wirkten sich die Orbitalwaffen in der relativen
Vergangenheit aus. Natürlich wurden sie trotzdem gebaut und
bewahren bis heute den Frieden, indem sie jede Einrichtung
zerstören, die den Eindruck erweckt, man könnte mit ihr
hier am Boden möglicherweise Atomwaffen bauen.
Und so sieht es aus: das wundervolle Gleichgewicht des
Schreckens, das uns vom Hunger, von der Angst vor dem Atomkrieg
und von der unausweichlichen Tyrannei befreit hat und uns in die
Lage versetzt, nach unserer eigenen Fasson zur Hölle zu
fahren. Mit vierzehn Millionen sechshunderttausend Kriegstoten
Jahr für Jahr übertreffen wir jedoch sogar die
Todesrate des Zweiten Weltkriegs. Der Unterschied zur schlechten
alten Zeit, als wir alle gemeinsam zum Teufel gingen, ist gar
nicht so groß.
Versteht mich nicht falsch: Ich habe lieber mit Tierbefreiern,
Maschinenstürmern und wiedergeborenen christlichen Milizen
zu tun als mit neuen Hitlern, Stalins oder Johnsons. Allerdings
möchte ich alle Zuschauer bitten, die Möglichkeit in
Erwägung zu ziehen, dass wir es besser machen könnten.
Und ich bitte euch, folgende Frage zu bedenken: Wo liegt der
Schwachpunkt dieses Multiple-Choice-Totalitarismus? Auf den
ersten Blick scheint er keine Schwachstelle zu haben. Was kann
jeder Einzelne von uns dagegen tun?
Ich will es euch sagen. Einer der Vorläufer der modernen
Milizen war eine Gruppe, die sich Falange nannte. Ihr Motto
lautete: Credere. Obedere. Combatere. Glauben. Gehorchen.
Kämpfen. Ich schlage vor, dass ihr zweifelt, ungehorsam
seid, desertiert. Zumal dann, wenn man euch auffordert, gegen die
zu kämpfen,
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