Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
Vom Netzwerk:
welche unerschütterlich darauf beharren,
wir seien ein Volk.«
    Er legte eine kurze Pause ein, um deutlich zu machen, er wisse
genau, wovon er redete.
    »Das ist natürlich bloß meine
persönliche Meinung.
    Und nun ein Wort von meinem Sponsor, dem
Felix-Dserschinskij-Arbeiter- Verteidigungskollektiv, das
selbstverständlich andere Ansichten vertritt. Gute Nacht.
Vertraut auf euch selbst, wenn ihr gottlos seid; andernfalls
vertraut auf Gott oder die Göttin.«
     
    Jordan leerte die Kaffeetasse und setzte sie zu heftig ab. Er
selbst fühlte sich ebenfalls leer. Er schaute dem Genossen,
der mit dem Abwasch an der Reihe war, zu, ohne den Impuls zu
helfen zu verspüren, der die anderen an den ersten Abenden
so amüsiert hatte.
    Als er mit seiner Ansprache fertig war und Mary die Kameras
nach ihrem regulären Beitrag abschaltete, sagte sie ohne ihn
anzusehen: »Das war schon… ganz beachtlich. Wo hast
du gelernt, so zu reden?«
    Jordan seufzte. »Bei den Televangelisten«,
antwortete er. »Davon hab ich mir jede Menge reingezogen.
Hab sie sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen.«
    Wie geschaffen für das Kabel, so wie sein Job ihn
für Netzrecherchen prädestinierte. Das war ein
unheimlicher, deterministischer Gedanke, irgendwie
calvinistisch…
    Ach, Mist. Das brachte ihn auch nicht weiter. Er sprang auf,
duschte, zog sich um und ging wieder nach unten. Der Tisch in dem
langgestreckten Raum war abgeräumt worden, die
Studioausrüstung weggepackt. Im Fernsehen lief Havana
Vice. Dafyd und Stone saßen auf einem Sofa vor dem
Fenster-Monitor (eine Ein-mal-zwei-Meter-Version der VR-Brille,
die ihm das Gefühl vermittelte, auf dem
Präsentierteller zu sein, obwohl er wusste, dass der Monitor
nur Einwegsicht bot und zudem gepanzert war), teilten sich einen
Joint und reinigten ihre Waffen.
    »Hi, Jordan.«
    »Hallo, Leute.« Er nahm auf einer Armlehne des
Sofas Platz, inhalierte ein wenig vom Rauch und beobachtete mit
nicht zufällig wachsender Faszination die komplizierten
Muster, welche die Hände der beiden Männer beim Reiben
und Kratzen, Schrauben und Einpassen, beim Auseinandernehmen und
Wieder-Zusammensetzen, Ziehen und Weiterreichen beschrieben.
Siearbeiteten, rauchten schweigend und ließen nur hin und
wieder eine kryptische Bemerkung fallen, die von hilflosem
Gelächter gefolgt wurde.
    »Man soll nicht alle Programme auf einer Diskette
speichern.«
    »Die haben den Kormoran geölt, das
war’s.«
    »Und dann sah er den Richter an und sagte: ›Diese
Dinger sollen uns in Versuchung führen.‹«
    Das schaffte sie. Die beiden Söldner wälzten sich
vom Sofa herunter und attackierten den Boden.
    Nachdem sie eine Weile darauf eingehämmert und -getreten
hatten, war klar, dass der Boden gewonnen hatte. Sie wälzten
sich auf den Rücken und wischten sich die Lachtränen
ab.
    »Worum ging’s eigentlich?«
    Stone hatte sich als Erster wieder erholt.
    »Es ging um eine Sache von uns und Moh, die vor Gericht
landete, und Aah-ha-ha-haaa«, erklärte er.
    Jordan schüttelte den Kopf. Er ging zum Terminal
hinüber und steckte seine Karte hinein. Seine kleine
Ansprache war offenbar empfangen worden und verbreitete sich nun
in dem Maße, wie sie abgespielt und weitergereicht wurde.
Nur an wenige Personen, aber es kamen doch ein paar Tantiemen und
sein Anteil an den üblichen Spenden herein. Er fand, er
sollte sie einer guten Sache spenden.
    »Los, Jungs, es wird Zeit, wieder nüchtern zu
werden!«, rief er über die Schulter. »Ich
spendiere euch ein paar Drinks.«
     
    Im Lord Carrington spielte die Gruppe Die vielen
Weltbilder vor einem ruhigen Werktagspublikum. Die Band
benutzte offenbar das Potenzial des Mediums, um die Illusion der
Gegenwärtigkeit zu hinterfragen, und wechselte ständig
unvorhersagbar die Plätze. Der eine sang anderthalb Zeilen,
dann stand auf einmal ein anderes Bandmitglied da und führte
den Text fort, während der erste Sänger seinen
Schweiß auf die Gitarre tropfen ließ. Eine Zeit lang
war das recht amüsant.
    Jordan war noch nicht mit Dafyd und Stone ausgegangen, und zu
seinem Erstaunen und seiner Erleichterung stellte er nun fest,
dass sie beim Trinken maßvoller zu Werke gingen als beim
Rauchen. Im Verlauf einer halben Stunde verleibten sie sich etwa
einen Liter ein, unterhielten sich in gedämpftem Ton und
rauchten Tabakzigaretten auf Kette. Sie fachsimpelten über
Fraktionen und Bündnisse, und es bereitete Jordan eine
gewisse

Weitere Kostenlose Bücher