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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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rassistisch klingen oder so, aber wenn die irgendwo einziehen,
ist die Gegend erledigt.«
    Janis betrachtete die hoch aufragenden Türme von Southall
zur Rechten.
    »Es ist ja wohl kaum ihre Schuld, dass die Inder bessere
Antiraketensysteme hatten. Ich hab’s im TV gesehen, damals,
als ich noch zu Hause lebte. Manchester. Sah aus wie ein
grauenhaftes Feuerwerk.«
    Kohn stellte den Autopiloten an und lehnte sich zurück,
die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Janis
bemühte sich, nicht auf die riesigen Räder des
Tanklasters zu achten, die sich neben ihnen drehten.
    »Das hat nie stattgefunden«, erklärte Kohn
kategorisch. »Es gab kein Raketengefecht zwischen Afghanen
und Indern. Die Hannoveraner waren ebenfalls nicht für die
Zerstörungen verantwortlich. Ich habe eine andere Version
gehört, auch von Einheimischen. Nein, das waren die
verdammten Uenn, Mann.«
    »Die verdammten – was? Ach, die UN! Die
Amerikaner.«
    »Ja, die große Weltraum-Verteidigungstruppe, die
Friedensbewahrer. Haben aus dem Orbit zugeschlagen, Gegenwehr war
nicht möglich.«
    »Und wurde es vertuscht?«
    »Ach was! Sie haben den Angriff sogar angekündigt!
Ihre regionale Fernsehstation hatte wohl ihre eigenen
Gründe, die Sache zu verschweigen.« Er zuckte die
Achseln. »Es gibt keine Verschwörung.«
    Janis kämpfte gegen das Gefühl ihrer Hilflosigkeit
an, eine andere Art von Paranoia.
    »Wieso ist alles so gekommen? Haben Leute wie Sie keine
Theorie zum Gang der Geschichte, zum Lauf der Dinge?« Sie
musterte ihn scharf. »Oder ist Ihre Meinung ebenso
stichhaltig wie meine? War alles falsch, was ich in der Schule
über den Marxismus gelernt habe?«
    Kohn hantierte sinnlos an der Steuerung und blickte starr
geradeaus.
    »Zur ersten Frage habe ich meine eigene Meinung«,
sagte er. »Was die anderen betrifft, ja, ja,
wahrscheinlich. Wir sitzen mit euch in einem Boot, wir verbrennen
die gleiche Luft. Wir verbrennen sie.«
     
    Im Fernsehen gibt es nicht genug Gewalt, dachte Kohn, der
hinter einem Schutthaufen hockte und auf den Befehl zum Angriff
wartete. Im Fernsehen und im Kino folgte Schuss auf Schuss, das
Bild vermittelte das Bild.
    Aber es reichte einfach nicht aus, es war keine Vorbereitung
auf die Realität. Es verdarb die Jugend. Die meiste Zeit
über sah man den Gegner nicht, und das galt auch für
den Häuserkampf. Die meiste Zeit über konnte man von
Glück sagen, wenn man wusste, wo die eigenen Leute
waren.
    Er hatte auch schon vorher gekämpft, doch das waren
Balgereien gewesen, Schlägereien. Das hier war ein richtiger
Krieg, und sei es auch bloß ein kleiner. Irgendwo in diesen
zweihundertfünfzig Meter entfernten ausgebrannten
Häusern waren Männer, die es auf sein Leben abgesehen
hatten. Als Erstes hatte er gegen das Gefühl ankämpfen
müssen, alles sei unwirklich, was mache ich hier eigentlich.
Er wusste, es ging um Politik: die Inder wurden bei der
Auseinandersetzung mit den Afghanen von der Regierung
unterstützt, und mehrere linke Milizen kämpften aus
Überzeugung aufseiten der Muslime. Die Katzen beteiligten
sich des Geldes wegen.
    Johnny Smith, der junge Hisbollah-Kämpfer an seiner
Seite, sah von seinem Computer auf, hielt die Kalaschnikow
über den Schutt und verschoss eine
Fünf-Sekunden-Salve.
    »Okay, Leute«, sagte er leise über
Kopfhörer. »Wer als Letzter stirbt, ist ein
Feigling!«
    Er sprang auf und setzte über die Mauer, winkte Kohn, ihm
zu folgen, und rannte die Straße entlang. Kohn stellte
fest, dass er ihm nachrannte, ohne eine bewusste Entscheidung
getroffen zu haben. Das Gewehr machte einen Heidenlärm. Dann
warf er sich hinter einem umgekippten Wagen zu Boden und blickte
sich nach den anderen um. O Gaia! Sie rannten an ihm vorbei! Eine Granate schlug dort ein, wo sie sich eben
noch befunden hatten. Dreckklumpen flogen umher. Er wechselte die
Magazine und stürmte weiter vor, unablässig feuernd.
Diesmal landete er im engen Eingang eines geplünderten
Ladens. Jemand fiel beinahe auf ihn drauf.
    Ihre Panzeranzüge prallten gegeneinander. Sie lösten
sich voneinander. Die andere Gestalt klappte das Visier hoch, um
sich den Schweiß vom Gesicht abzuwischen.
    Ihr Gesicht. Es war ein erstaunliches Gesicht, und es grinste
wie wahnsinnig. Auf einmal merkte Kohn, dass er ebenfalls
grinste. Die Wangen taten ihm weh. Das Visier wurde wieder
heruntergeklappt.
    »Los, weiter!«, sagte sie.
    Kohn bemerkte aus den Augenwinkeln die

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