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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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korkenzieherartigen
Kondensstreifen, die sich in trägen Spiralen
herabsenkten…
    »NICHT!«, brüllte er. Er packte sie
beim Arm und zerrte daran, dann rannte er mitten auf die
Straße hinaus. Der Boden schüttelte sich unter ihren
Füßen, dann sackte das Gebäude wie ein
abgeschnittener Vorhang zusammen. Ein paar Kilometer weiter im
Norden passierte Ruislip das Gleiche.
    Sie warteten lange genug, um den Rückzug zu decken.
Später erinnerte sich Kohn, dass er zwei Drittel von Johnny
Smith zu einem Hubschrauber des Roten Halbmonds geschleppt hatte,
bis er den Blick senkte und sah, was er da schleppte, und es
einfach fallen ließ, einfach stehen blieb. Nicht deshalb,
weil vom Gesicht des Mannes außer den Augen nichts mehr
übrig gewesen wäre – Oberkiefer, Unterkiefer,
Nase waren sauber abgetrennt –, aber die Augen waren offen
und blickten starr, ohne auf die blendend hellen Blitze am Himmel
zu reagieren. Das Blut sprudelte noch, aber Johnny Smith war
schon minutenlang tot. Alles, was es wert gewesen wäre,
gerettet zu werden, war jetzt bei Gott. Der Rest war für die
Organbanken.
    Die Frau war bei ihm, als man sie durch den dichten Qualm
ausflog. Und noch ein weiterer Söldner saß in der
MI-34, kaute Coca-Blätter, hielt sich den zerschmetterten
rechten Arm, als wartete er darauf, dass er wieder
zusammengeflickt würde, und wiederholte ständig:
»He, Moh, weshalb nennt man uns eigentlich
Kelly-Girls?«
     
    Sie schwenkten auf die A40 ein. Beunruhigt durch sein
plötzliches Schweigen, musterte Janis Kohn von der Seite und
sah, dass sein Gesicht wieder diesen Ausdruck unmenschlichen
Einverstandenseins mit einem tiefen Wissen angenommen hatte, der
sie auch schon verwirrt hatte, als er in seinem Zimmer aus der
Trance aufgewacht war. Die Anwandlung ging vorbei, die
härteren Linien seines Gesichts traten wieder hervor. Er
beobachtete immer noch den Verkehr.
    »Wie geht es Ihnen jetzt?«, fragte sie.
    Er fröstelte. »Als ob ich… die Welt heute
unwiderruflich hätte verändern können, und dann
ist da noch dieses Ding – ach, Scheiße.« Er
steckte sich eine Zigarette an, schloss die Augen und stieß
den Rauch seufzend aus. »Haben Sie sich schon mal
vorzustellen versucht, wie es wäre, nichts zu sehen,
vielleicht in Ihrer Kindheit? Auch keine Dunkelheit, sondern gar
nichts. Zu sehen, was das ist, was sie in ihrem Kopf nicht
sehen.«
    »Sie meinen, sich die Grenze unseres Gesichtsfelds
vorzustellen.«
    »Typisch. Wissenschaft. Hab doch gewusst, dass man da
was Schlaues drüber sagen kann. Wenn ich es jetzt versuche,
Janis, dann ist da was. Etwas…« – er
stellte die Finger hoch, als spielte er das Fadenspiel, bewegte
sie rasend schnell, ein flüssiges Zeichen –
»anderes als Licht, aber auch keine Dunkelheit. Und –
wissen Sie, wie es ist, wenn man aufwacht und weiß, man hat
etwas geträumt, kann sich aber nicht daran
erinnern?«
    Ein kalter Schauder lief ihr über den Rücken. Alles führt überall hin.
    »Ja«, sagte sie. »Ich weiß, was Sie
meinen.«
    »Also, das ist so, als versuchte ich, mich zu erinnern,
und ich erinnere mich auch, aber ich weiß erst, was
es ist, wenn…«
    Er verstummte. »Das ist wie ein Flashback. Zunächst
ging es…« – er schlug sich wiederholt gegen
die Stirn -»bang-bang-bang. Jetzt kann ich es bewusst
unterdrücken. Die meiste Zeit über jedenfalls.«
Er musterte sie mit verstörender Intensität.
»Hatten Sie es darauf abgesehen? Dass jedermann sich an
alles erinnern kann?«
    »So habe ich das noch nicht betrachtet.«
    »Dann frage ich mich, wer dann? Wer könnte wollen,
dass die Menschen sich erinnern?«
    »Das ist zu… allgemein«, sagte sie.
»Es könnte alle möglichen Anwendungen geben
– gesteigerte Lernfähigkeit, Hinauszögern der
Senilität, halt so was.«
    »Halt so was. Klar. Aber das Gedächtnis ist mehr
als das. Das Gedächtnis ist alles. Das, was wir
sind.«
    »Wo wir gerade vom Gedächtnis
sprechen…« Sie zögerte. »Da fällt
mir etwas ein, das ich Sie fragen wollte.«
    »Fragen Sie ruhig«, meinte er.
    Nach kurzer Pause sprudelte sie hervor: »Sie erinnern
sich bestimmt, was Sie über die Sternenfraktion gesagt
haben, über das Programm, das Ihr Vater geschrieben hat, als
Sie noch ein Kind waren. Äh… gibt es einen bestimmten
Grund, weshalb Sie ihn nicht einfach danach fragen können?«
    Sie verstummte wieder.
    »Sicher«, antwortete Kohn. »Sie wurden
getötet. Mein Vater

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