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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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und meine Mutter.«
    »Tut mir Leid.«
    Er boxte in die Luft. »So was kommt vor.«
    »War das im Krieg?«
    »Nein«, antwortete er. »Später.
Während des Friedensprozesses.«
    Er versank wieder in introvertiertes Schweigen, während
seine Zigarette zu Asche verbrannte, die Zentimeter für
Zentimeter abfiel. Plötzlich regte er sich, drückte die
Zigarette aus und betätigte einen weiteren Schalter.
    »Mal sehen, ob wir in den Nachrichten sind«,
meinte er.
    Der Windschutzscheibenmonitor zeigte ein wildes Muster, das
sich rasch stabilisierte und sogleich wieder veränderte, da
Kohn die Nachrichtensender durchsuchte. Alle paar Sekunden
markierte er ein Thema; nach einer Weile hielt er inne und
ließ die Nachrichten alle gleichzeitig anzeigen.
    »Schauen Sie sich das an«, sagte er.
    Janis starrte die vielen Fenster mit den rasch wechselnden
Bildern und den Untertiteln an. Nach kurzem Schweigen sagte sie:
»Oh, Gaia.«
    Hunderte von Systemabstürzen in aller Welt. Keiner war
für sich genommen besorgniserregend, insgesamt aber kamen
sie einem von einer Atomexplosion ausgelösten mittleren
Erdbeben gleich, das sich um den ganzen Erdball fortpflanzte. Die
Ursache war innerhalb von Mikrosekunden ausfindig gemacht. Wer
immer sich der Mühe unterzogen hatte, war auf London
gestoßen.
    Das Bündnis für Leben auf Kohlenstoffbasis leugnete
jede Schuld, erklärte sich aber bereit, mit jedem zu
sprechen, der seine Anschuldigung belegen könne.
    »Meinen Sie, wir sollten darauf eingehen?«,
scherzte Janis.
    Kohn löschte die Monitoranzeige.
    »Die werden sich schon wieder melden«, meinte er
und wandte sich zu ihr um. »Glauben Sie noch immer, ich
habe mir bloß was eingebildet?«
    »Nein, aber das heißt nicht, dass Ihre Erfahrung
das war, als was Sie sie deuten.« Sie hatte das
Gefühl, in diesem Punkt hart bleiben zu müssen.
»Vergessen Sie nicht, es gibt wirklich AIs im Netz. Wohl
nicht mit eigenem Bewusstsein augestattet, aber durchaus in der
Lage, jemanden zum Narren zu halten. Ein paar davon wurden von
hochgradig kriminellen Arschlöchern programmiert.«
    »Ich weiß«, sagte Kohn. Er klang bereits
wieder gelangweilt. »Gopher-Golems und dergleichen. Ich
möchte, dass Sie logisch denken. Glauben Sie mir, das
kenne ich alles schon. Soll ich Ihnen meine Abschussliste
zeigen?«
    »Schon gut, Kohn, schon gut.« Sie lächelte
unsicher. »Ich will damit bloß sagen, Sie sollten
offen bleiben für…«
    Kohn lachte so laut und so anhaltend, dass sie in sein
Gelächter unwillkürlich einstimmte.
    »Offen bleiben.«
    »Sie wissen schon, was ich gemeint habe.«
     
    Der Wagen fuhr durch ein großes, hell erleuchtetes
Betongewölbe.
    »Willkommen im Weltraum«, sagte Kohn.
    »Oh. Ja, davon habe ich gehört.
Extraterrestrialität.«
    »Ein Konzept zweifelhafter Herkunft, aber damit hat sich
der Ort einen Platz auf der Landkarte verdient.«
    Sie lachte. »Auf einer
Fünf-Farben-Karte!«
    »Stimmt genau. Wir leben im Land der fünften Farbe,
in einem Land ohne Grenzen. Im nächsten Amerika.«
    »Ich dachte, hier würde das gegenwärtige
Amerika dahinterstecken.«
    »Ihr – ihr seid bloß die Gegenwart«, meinte Kohn dunkel. »Theoretisch
gilt ihr Gesetz auch hier: die Stasis kann nicht herein, aber die
Weltraumverteidigung kann uns jederzeit ausknipsen. Amerika, ha.
Die US/UN sind nicht die Welt. Dann schon eher das verdammte Portugal, so wie die sich machen. Schauen Sie sich die mal
an: auf die würde ich gegen alle Kampfsatelliten wetten, die
je gebaut wurden.«
    Sie blickte in die Richtung, in die er zeigte, und sah etwas,
das sie nur selten beachtete, Wiedereintrittsgleiter, die sich
von Süden her näherten, die schwarzen Pfeilspitzen
scharf vom Himmel abgehoben.
    »Die Piloten des purpurfarbenen Zwielichts,
herniederstoßend mit tödlicher Fracht.«
    Diesmal erkannte sie das Zitat. »Tödliche Fracht,
Janis, tödliche Fracht. Darum geht es. Darauf würde ich
setzen.«
     
    »Hallo, Mum!«
    Keine Antwort. Jordan ließ die Tür hinter sich
zufallen und stapfte erwartungsfroh die Treppe hoch. Der
vertraute Geruch des Hauses, dieses Gemenge aus Kochdünsten,
Möbelpolitur, Seife und Eintopf, wirkte eigentümlich
beruhigend. Bisweilen fand er es auch erstickend, und er musste
den Kopf aus der Dachluke strecken und die Industrieluft statt
der häuslichen Dünste einatmen. Da seine beiden
älteren Brüder und seine Schwester ausgezogen waren,
hatte er nach und nach immer

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