Das Sternenprogramm
Information mit sehr gemischten
Gefühlen auf: einerseits verspürte er eine gewisse
grimmige Genugtuung darüber, dass seine Ängste
hinsichtlich unkontrollierter AI von der mächtigsten
Streitmacht in der Geschichte geteilt wurden, andererseits
blankes Entsetzen angesichts dessen, was diese Streitmacht
anrichten könnte. Sollte sich die Weltraumverteidigung
jemals entschließen, die Erde als fremden Planeten zu
behandeln, müsste sie sicherstellen, dass kein noch so
kleiner Organismus und nicht einmal mehr Funkübertragungen
ins All gelangten. Die Kommunikationssatelliten würden
abgeschossen, Startrampen bombardiert werden. Die
elektromagnetischen Impulse dieser und anderer
Nuklearschläge würden den Großteil der
Computerspeicher löschen. Produktionsnetzwerke würden
in wenigen Tagen auseinander fallen. Sie bräuchte nicht
einmal die Städte niederzubrennen. Diese Arbeit würden
ihr die Aufstände und Stromausfälle abnehmen.
»Nennen wir es neun Gigatode«, sagte
Bleibtreu-Fèvre. »So. Ich hoffe, ich kann auf Ihre
Mitarbeit zählen, sowohl was die Behebung des Problems als
auch absolute Geheimhaltung betrifft.«
»Sieht so aus, als wären wir uns einig«,
meinte Donovan und blickte in die Runde. »Die Geldfrage
können wir später klären, aber können wir
davon ausgehen, dass die üblichen
Immunitätsbestimmungen gelten?«
»Selbstverständlich«, antwortete
Bleibtreu-Fèvre ungeduldig. »Und nun zu den
Einzelheiten.«
Die Arbeitsteilung, die er vorschlug, war fair. Lawson sollte
mit ihren Kollegen in anderen Gemeinwesen zusammenarbeiten und
die Aktivitäten der AI diskret überwachen. Donovan
sollte ihr dabei helfen, mittels der protokollierten Spuren ihrer
jeweiligen Begegnungen mit der Wesenheit spezifische
Virenattacken vorbereiten und seine normalen Sabotageprogramme
solange zügeln. Van sollte eine komplette Aufstellung der
von der AI angegriffenen Projekte anfertigen und nach
Möglichkeit Kontakt mit der flüchtigen Forscherin Janis
Taine aufnehmen.
»Mir scheint, es ist eine vernünftige
Arbeitshypothese«, sagte Bleibtreu-Fèvre mit jener
Beamtenpedanterie, die in Donovan den Wunsch weckte, ihm eine zu
scheuern, »dass Taine sich nach Norlonto abgesetzt hat,
wahrscheinlich in Begleitung von Moh Kohn, falls er
tatsächlich Interesse an ihrer Forschung bekundet und ihr
Labor besucht hat. Deshalb sollten wir sie aufspüren, und
sei es nur deshalb, um sie aus unseren weiteren Nachforschungen
ausklammern zu können. Ha-ha.«
Er bemerkte, dass Donovan etwas sagen wollte.
»Ich glaube, dabei kann ich Ihnen behilflich
sein«, sagte Donovan und hörte auf, sein Avatar
abwechselnd schrumpfen und sich ausdehnen zu lassen, das
Cyberspace-Äquivalent des Auf-der-Stelle-Hüpfens.
»Lassen Sie mich erklären…«
9
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Jedem wie ihm bestimmt ist
›Die toten Leninisten‹ traten live in Bydgoszcz
auf und schmetterten The Money that Love Can’t Buy. Kohn bemühte sich, den verräucherten Schwerwassersound
der Band auszublenden, und achtete stattdessen auf den
Stimmenlärm. Es wurde viel über die Aktionen des
Bündnisses und die Absichten der ANR geredet, es wurde viel
politisiert. Nach einem kleinen Rundgang wurde ihm bewusst, dass
er Janis seit mindestens zwei Nummern oder vielleicht auch drei
Zigaretten vernachlässigte… Dies sagte er auch dem
dienstfreien Kämpfer, mit dem er sich gerade unterhielt,
besorgte sich noch zwei Bier und wandte sich vom Tresen ab.
Beinahe wäre er mit einem jungen Mann
zusammengestoßen, der sich anscheinend auf dem Barhocker
vorgebeugt hatte, damit ihm nur ja kein Wort entginge.
Grobknochig, hellblond, wirkte er wie ein Junge vom Lande ohne
dessen kernige Gesundheit; sein Gesicht war gerötet, ein
wenig schwammig. Jung, sehr angespannt und leicht betrunken. Er
wich Kohn schwankend aus und blickte ihn unerschrocken an.
»Hallo«, sagte er. »Ich… ich habe
etwas von deiner Unterhaltung aufgeschnappt.«
»Ja, und?«
»Du hast den Typ gefragt, was die ANR wohl vorhat,
stimmt’s?«
»Äh… ja.« Es hätte wohl wenig
Sinn gehabt, das abzustreiten.
»Das wüsste ich selber gern.« Der Mann
blickte Moh unverwandt an, hob ein randvolles Glas Whisky an die
Lippen und trank einen Schluck. Der coole Eindruck wurde von
seiner Miene beim Schlucken mehr oder weniger zunichte gemacht.
»Ich bin da auf eine Theorie gestoßen. Es geht dabei
um die Letzte Internationale, den Uhrmacher, den Schwarzen
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