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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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jedem
zuteil wurde, der im Verborgenen erfolgreich war, sei er nun
Terrorist oder Billionär. Er hatte sich einfach übers
Netz Zugang verschafft. Dieser Vorgang war ohne Beispiel und so
alarmierend, dass er einen fünfminütigen weltweiten
Finanzcrash auslöste und unmittelbare Vorkehrungen zur Folge
hatte, welche verhindern sollten, dass seine elektronische
Kriegsführung nicht den Fluch der Weltraumverteidigung nach
sich zog. Es war seine Sache, mit den örtlich begrenzten
Vergeltungsmaßnahmen fertig zu werden.
    Heute erhielt er eine dringliche Einladung, die erste seit
Jahren. Sie flammte auf den Monitoren auf und unterbrach seine
Nachforschungen hinsichtlich der Wesenheiten, die sich in
vergessenen Gefilden der Datensphäre herumtrieben. Er
entließ sie, sprach lautlos die Passwörter, und schon
war er draußen und da. Er benötigte keine
VR-Ausrüstung, um rauszugehen und da zu sein – er nahm
es unmittelbar von den Monitoren auf, sein Geist schwang sich
ohne Hilfsmittel in den strahlenden Traum des Mainframings
empor.
    Freier Fall in schwarzem Raum, der sanfte Fall der Photonen.
Vergrößerung und Auflösung steigern, und
dann:
     
    Eine ferne Galaxie, ein Daumenabdruck aus Kreide, eine Wolke
von Lichtpünktchen, ein Glühwürmchenschwarm, eine
Wolke, bevölkert von leuchtenden, phantastischen
Körpern, ein Multilevel-Maskenball, auf dem alle redeten,
aber niemand lauschen konnte. Donovans Avatar – das
Körperkonstrukt, das die anderen User sahen – basierte
auf einem jüngeren Ich, nicht aus Eitelkeit, sondern weil er
sich nicht die Mühe machte, es upzudaten. Die anderen
verneigten sich, als er sich ihnen in der Maske des Roten Todes
näherte. Der Ort sah aus wie der Himmel der Bösen.
    »Schön, Sie zu sehen, Donovan.«
    Die Engel, die ihn ansprachen, hatten rosige Pausbacken,
strahlend weiße Flügel, trugen ein leuchtendes Gewand
und einen Heiligenschein, der wie ein Rauchring über ihrem
Kopf waberte.
    »Ich glaube, wir wurden einander noch nicht
vorgestellt.«
    Der Engel lächelte affektiert, ein dermaßen
überladener visueller Effekt, dass Donovan mit
metaphysischer Übelkeit darauf reagierte.
    »Ich bin Melody Dawson. Erinnern Sie sich an
mich?«
    Donovan bemühte sich, die Illusion der Telepräsenz
zu wahren, während er ›daheim‹ (wie er
unwillkürlich dachte) an einem Hot-Key-Databoard hantierte.
Aus den Augenwinkeln nahm er Melody Lawsons Details wahr.
    »Selbstverständlich«, sagte er. »Sie
und Ihr Mann haben die Bewegung verlassen – ach, das ist
bestimmt schon zwanzig Jahre her. Aber ich meine, mich an ein
paar sehr willkommene Zahlungen von…« – er
lächelte – »Engelsgeld erinnern zu
können.« Wohl eher ein Bußgeld. »Was
machen Sie jetzt, und weshalb haben Sie mich gerufen?«
    »Ich kümmere mich in Beulah City um die
Datensicherheit«, sagte Mrs. Lawson. »Die haben den
Hacker zum Heger gemacht, wie man so sagt. Ich muss zugeben, dass
mir die Kenntnisse, die ich in meiner wilden Jugend erworben
habe, im Beruf ausgesprochen nützlich sind. Und ich teile
nach wie vor Ihre Besorgnisse hinsichtlich der Bedrohung durch
AI, wenngleich einige Ihrer Aktionen in der Vergangenheit recht
lästig für mich waren.«
    »Das gilt umgekehrt auch«, sagte Donovan. Das war
keine reine Schmeichelei: die Zensurfilter von Beulah City
erschwerten das Hacken, wenngleich die ziemlich veralteten
Systeme nur selten ein Eindringen sinnvoll erscheinen
ließen.
    »Jedenfalls«, fuhr Mrs. Lawson fort,
»sollten wir alle bereit sein, das Vergangene ruhen zu
lassen, wenn wir feststellen, dass wir ein gemeinsames Interesse
verfolgen, meinen Sie nicht auch?«
    »Und welches gemeinsame Interesse wäre das?«,
fragte Donovan.
    »Ich glaube, Sie wissen, was ich meine«, erwiderte
Mrs. Lawson.
    Ehe Donovan etwas darauf entgegnen konnte, vernahm er im Kopf
ein diskretes Gemurmel, das ihn davon in Kenntnis setzte, dass
ihn im Clearinghaus noch jemand anders zu sprechen wünschte.
Da der Unbekannte zu diesem Zeitpunkt durchgekommen war, musste
es sich um eine in der informellen Hierarchie weit oben
rangierende Persönlichkeit handeln. Auch Mrs. Lawson hatte
offenbar einen Anruf erhalten. Donovan gab mit dem Kinn sein
Einverständnis kund. Er fragte sich, ob sie das so
arrangiert hatte. Jetzt erinnerte er sich auch ohne Nachhilfe an
sie: sie war schon damals, noch bevor sie sich der Religion
zugewandt hatte, verschlagen gewesen.
    Eine

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