Das stille Gold der alten Dame
Handumdrehen fertigwerden. Der mit seinen zarten Händchen... Um’s kurz zu machen: Er schickte mich als Interplanetarrakete auf eine märchenhafte Umlaufbahn. Und
Glück hatte der Kerl auch noch: Ich landete mit dem Kopf auf einem Bettpfosten.
Immerhin gelang es mir, meinen Revolver rauszuholen. Doch der „Journalist“ kam
meinem Feuerwerk zuvor. Mit einem zweiten Trick schlug er mir die Waffe aus der
Hand. Stattdessen holte er jetzt seine Kanone raus oder nahm meine oder was
ganz anderes... Ich will’s auch gar nicht so genau wissen. Ich weiß nur eins:
in bester Straßen-kampf-Tradition verpaßte er mir
eins hinter die Ohren. Ein Meisterstück! Und dabei knurrte er so was wie:
„’ tschuldigung ,
Alter. Bin in bester Absicht gekommen.“
So sind sie, die Gauner von Passy!
Immer höflich. Entschuldigen sich für die Freiheiten, die sie sich
herausnehmen. Richtige Snobs mit ihren ausländischen Import-Kampfmethoden. In
bester Absicht war er gekommen! Mein Glück, denn sonst...
Ich spürte sein zartes Händchen in
meiner Tasche. Da ich mich sowieso zu keinem Widerstand aufraffen konnte, ließ
ich ihn den Zimmerschlüssel rausholen. Wir würden uns schon noch wieder
sprechen. Hoffentlich! Und unter anderen Bedingungen, wenn möglich. Mit
größerem Abstand, damit seine Judokünste nicht zum Tragen kämen. Vor dem
Revolver sind alle Menschen gleich, mein Lieber! Denk mal drüber nach...
Ich hörte, wie er die Tür aufschloß , sie öffnete, wieder abschloß ...
von außen. Überflüssige Vorsichtsmaßnahme! Ich war überhaupt nicht dazu
aufgelegt, ihm hinterherzurennen. Leider...
Bewegungsunfähig lag ich auf dem
Bettvorleger. Die nächtliche Stille wurde nur von meinem Herzklopfen
unterbrochen. Und von den kleinen Kobolden in meinem Schädel, die einen
Heidenlärm veranstalteten. Ich hörte eine Stimme, von weitem, ganz weit weg.
Eine Stimme, die nur ich hören konnte. Eine tröstende Stimme, die Stimme meines Unterbewußtseins :
„Du fährst in einer Achterbahn. Berg-
und Talfahrt. Auf und ab. Zuerst warst du von Bénechs Schuld überzeugt, dann hast du gezweifelt. Auf und ab. Du warst von der
Existenz einer Gang überzeugt, dann wieder nicht. Auf und ab. Jetzt kannst du
sicher sein: diese Gang existiert. Sie hat dir heute ihren Botschafter
geschickt. Vielen Dank für die Information, Monsieur Lozere .“
* * *
Nach einer Weile konnte ich meinen
Bettvorleger verlassen und mich ins Bad schleppen. Dort legte ich mir nasse
Taschentücher als Kompressen auf meine Beulen. Dann sammelte ich meinen
Revolver ein, rief den Nachtportier an und bat ihn, mich zu befreien. Ein
Spaßvogel, dieser falsche Journalist. Wie alle Journalisten. Hatte mich einfach
eingeschlossen, der Kerl. Der Nachtportier fand das alles sehr seltsam, vor
allem meine Kompressen. Aber er verkniff sich jeden Kommentar.
Die verschluckte Zunge
Donnerstag, elf Uhr. Eine
blankgeputzte, brandneue Sonne für ganz Paris. Ich hatte einen Brummschädel,
wie sich’s gehört. Der gute alte Brummschädel beim Aufwachen. Kein Zeichen
großer Siege! Ich zündete mir erst mal ‘ne ordentliche Pfeife an und dachte
nach. Nach dem Auftritt von Lozère — der bestimmt
anders hieß! — war die Sache für mich klar: eine Verbrecherbande hatte ihre
Hände im Spiel. Hatte sie den jungen Judoka geschickt, um mir auf den Zahn zu
fühlen? Wozu das wohl gut sein sollte? Oder hatte der Junge tatsächlich nur
über Suzanne reden wollen? Er schien das arme Mädchen zu kennen. Saß Suzanne in
mehr als nur einer Tinte? Suzanne und die Gangster. Ich mußte an „Suzanne und
die Greise“ denken. Leute, die nicht grade freundschaftlich mit dem jungen
Fräulein umsprangen!
Ich gab das Nachdenken dran und ließ
mir von Joséphine ein kleines Frühstück bringen, garniert mit den Morgenzeitungen.
Das Zimmermädchen schien nicht mehr böse auf mich zu sein.
Gerade hatte ich mich in die Lektüre
der Zeitungen vertieft, als das Telefon klingelte. Florimond Faroux war am Apparat.
„Ach! Sie sind im Hotel?“
„Sieht so aus“, brummte ich.
„Hab bei Ihnen zu Hause angerufen.
Nichts. In Ihrer Agentur. Nichts. Bei Hélène zu Hause. Nichts. Da fiel mir das
Hotel ein...“
„Damit hätten Sie besser anfangen
sollen.“
„Hm... Was lungern Sie denn noch in
diesem stinkvornehmen Viertel rum? Der Fall ist doch erledigt, oder? Ist der
Fall erledigt?“
„Brüllen Sie mir nicht so ins Ohr!
Oder sind Sie noch nicht ganz wach? Also: Der Fall, mit dem ich
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