Das stille Gold der alten Dame
See. Bald mußte ich mir ‘ne andere Route suchen. Wir konnten
doch nicht die ganze Nacht im Bois de Boulogne spazierenfahren . Ich stellte der Fledermaus noch ein paar
hinterhältige Fragen, ohne Ergebnis.
„Tja, dann nochmals vielen Dank,
Monsieur René...“
Ich hatte ihn ausgepreßt wie ‘ne Zitrone.
„Was Sie mir erzählt haben, bringt
mich leider nicht viel weiter.“
„Wenn ich mir die Frage erlauben darf,
Monsieur“, sagte er, „worauf wollen sie eigentlich hinaus?“
„Ich suche die Klunker von Madame
Ailot. Und die Komplizen, an die Bénech sie weitergereicht hat...“
Ich fuhr die Avenue de Saint-Cloud entlang , Richtung Porte de
La Muette.
„Sind Sie sicher, daß er nicht bei
Ihnen zu Hause rumliegt?“ fragte ich.
„Wer?“
„Der Schmuck.“
„Wenn Sie wollen, können Sie selbst
nachsehen“, antwortete er achselzuckend. „Ich wohne in der Rue de la Tour, in
einem Dienstmädchenzimmer...“
„Genau das Richtige für einen
ehemaligen Kammerdiener“, bemerkte ich.
„Wie recht Sie haben... Falls Sie meinen Namen nicht kennen: ich heiße René Gauratel .“
„Wann paßt es Ihnen?“
„Wann Sie wollen.“
„Jetzt sofort?“
„Von mir aus.“
Wir fuhren schweigend in die Rue de la
Tour. In seinem Zimmer waren wir auch nicht gesprächiger.
Das Zimmer bot keine großartigen
Möglichkeiten, Schmuck zu verstecken. Ich suchte lange, gründlicher als Faroux
und seine Leute zusammen, fand aber nichts. Ich war wütend mit mir selbst. Es paßte mir nicht, daß ich den Faden verlor. Dies war also
nicht die richtige Spur. Die dicke Fledermaus sah mir bei meiner Suchaktion zu,
ohne ungeduldig zu werden.
„Niete“, sagte ich.
„Hab Ihnen doch schon vorher gesagt,
daß Sie unnötig Zeit vergeuden.“
„Na ja, wenigstens weiß ich jetzt, wo
ich Sie finden kann... falls ich Sie suche.“
Er brachte mich hinunter auf die
Straße.
„Guten Abend, Monsieur“, sagte er und
verbeugte sich artig.
Frostige Höflichkeit, ohne eine Spur
von Ironie. Ganz der Kammerdiener, der er jahrelang gewesen war. Er und seine
reichen Dämchen! Ich sah ihn vor seiner Liste sitzen und die Herrschaften
beschimpfen, natürlich in der dritten Person!
Kurze Unterhaltung
Er war ein junger Mann von kaum mehr
als fünfundzwanzig Jahren. Mittelgroß, schlank, ziemlich selbstsicher. Er trug
einen eleganten Anzug, ein bißchen auffällig vielleicht, hell, sehr hell, zu hell
für diese Jahreszeit. Wahrscheinlich hatte der Junge das nötige Kleingeld, um
solche empfindlichen Farben zu tragen. Die Schuhe waren neu oder zumindest
eifrig blankgeputzt. Auch der Hut schien neu. Unter der Nase eine Andeutung von
Schnäuzer à la Charlie Chaplin. Ein reiches Söhnchen hier aus dem Viertel war
er wohl nicht. Aber er hätte einen ausgezeichneten Chauffeur abgegeben, Modell
Bénech. Fehlte nur noch die Uniform. Die hätte ihm sicher ganz hervorragend
gestanden. Und die Chauffeursmütze mit dem blanken
Schirm hätte seine Segelohren noch betont.
Er schien jede Menge Zeit zu haben.
Hingegossen in einen Sessel der Hotelhalle, Zigarette im Mundwinkel, las er in
aller Ruhe eine Turfzeitung .
„Sie haben Besuch, M’sieur Dalor ... äh... M’sieur Burma“, sagte der alte Nachtportier augenzwinkernd und wies mit dem Kinn auf
den jungen Mann.
Dieser sprang sofort auf, warf die
Kippe in einen Aschenbecher, steckte das Blatt in die Jackentasche und kam
federnd auf mich zu. Lässig tippte er mit dem Zeigefinger an seinen Hutrand,
dann streckte er mir seine Hand entgegen. Eine weiße, zarte Hand, feingliedrig,
beinahe die einer Frau.
„Ach, Monsieur Burma?“ sagte er
lächelnd und zeigte mir seinen goldenen Eckzahn. „Guten Abend, Monsieur. Mein
Name ist Roger Lozère . Ich bin Journalist.“
Ich sah auf die Uhr. Gleich
Mitternacht.
„Sie sind ja ziemlich rührig“,
bemerkte ich. „Journalist? Wo denn?“
„Beim Parisien Libéré . Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf. Sie
haben bestimmt noch nie von mir gehört. Ich fange grad erst an... War nett,
wenn Sie mir dabei helfen würden.“
„Glaub nicht, daß Sie meine Hilfe
brauchen. Für einen Anfänger sind Sie ganz schön auf Zack. Wie haben Sie meine
Adresse rausgekriegt?“
„War kein Kunststück. Hab sie im Radio
gehört.“
Ich biß mir
auf die Zunge. Wenn ich so weitermachte, hielt der mich noch für’n Blödmann. Aber vielleicht war das gar keine schlechte
Taktik, für ‘n Blödmann gehalten zu werden.
„Ach ja, natürlich! Im Radio.
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