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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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so gut es ging: zarte weiße Hände, Charlie-Chaplin-Schnäuzer usw.
    „Mal sehen, was sich machen läßt“,
brummte Faroux. „Wirklich ‘ne seltsame Geschichte. Na ja, aus dem Mädchen
kriegen wir im Moment sowieso nichts raus...“
    Wir legten auf.
     
    * * *
     
    Gleich darauf rief mich Hélène an. Wir
verabredeten uns zum Mittagessen. Während des Essens klärte sie mich über die
kriminalgeschichtlichen Höhepunkte des 1 6. Arrondissements auf. Vor
allem interessierten mich geklaute oder verschwundene Juwelen. Aber davon war
im Crépu nur einmal die Rede gewesen. Außer
diesem Fall in der Avenue Foch gab es nur eine magere Ausbeute an üblichen
Einbrüchen oder Überfällen. Rue Scheffer, Avenue Henri-Martin — davon hatte
Faroux schon gesprochen — , Rue Nicolo...
    „Ich fürchte, Sie haben umsonst Staub
geschluckt, mein Schatz“, sagte ich. „Mit unserem Fall hat das alles bestimmt
nichts zu tun. Aber jetzt haben wir einmal damit angefangen. Also wollen wir’s
auch zu Ende führen. Wenn wir uns die Arbeit teilen, Sie, Zavatter und ich, dann sind wir schnell fertig. Zavatter sieht
sich die Sache mit der nackten Frau in der Rue Jasmin genauer an. Ich werde
mich heute nachmittag um den
Schmuckdiebstahl in der Avenue Foch kümmern. Das liegt noch am ehesten auf
unserer Linie...“
     
    * * *
     
    Die Frau, der die Kleinigkeit im Werte
von mehreren Millionen gestohlen worden war, hieß Madame Ghislaine de Choban de Tourettes und wohnte
nicht weit vom Palais Rose des verstorbenen Boni de Castelane ,
der Autorität in Sachen Mode. Was ich rauskriegte, hätte vielleicht einen
Klatschkolumnisten interessiert. Mich nicht. Ich sprach mit Hausangestellten
jeden Alters und Formats. Resultat: Null.
    Enttäuscht ging ich ins Hotel zurück.
Eventuell hatten ja Hélène oder Zavatter ihren Nachmittag
erfolgreicher verbracht und ‘ne heiße Spur gefunden. Oder Florimond Faroux konnte mir heiße Tips über meinen Judofreund
geben. Aber leider lag keine Nachricht von ihnen in meinem Fach, weder von
meinen Mitarbeitern noch vom Kommissar. Dafür hatte Monsieur Ailot sich
gemeldet: Er wollte mich so bald wie möglich sehen. Dem patron , der den Anruf entgegengenommen hatte, dröhnten immer noch die Ohren.
    Ich machte mich auf den Weg in die Rue
du Ranelagh .
     
    * * *
     
    Monsieur Ailot war vielleicht zwei oder drei Jahre älter als seine Frau. Gute Figur, aufrechte
Haltung, fast militärisch. Ich suchte die Gerte in seiner Hand, mit der er sich
gegen die Stiefel schlug. Aber es waren weder Stiefel noch Gerte zu sehen. Nur
der Eindruck blieb. Der ältere Herr trug einen korrekten dunkelgrauen Anzug.
Leicht rote, gesunde Gesichtsfarbe, weißer Schnurrbart, blutunterlaufene Augen,
galoppierende Glatze. Das Zimmer, in dem er mich empfing, war dekorativ
ausgestattet. An einer Wand hing eine Sammlung alter Waffen. Sicher hatte
Faroux schon ein Auge draufgeworfen, aber ich prüfte ebenfalls, ob die Sammlung
vollständig war. Nein, es fehlte kein Stück. Sobald Jérôme, der Butler, wieder
hinausgegangen war, ging Monsieur Ailot zum Angriff über. Sozusagen mit
aufgepflanztem Bajonett. Weder sagte er guten Tag noch bot er mir einen Stuhl
an. Nichts. Er bellte sofort los:
    „Sie sind Nestor Burma?“
    „Jawohl, Monsieur“, antwortete ich
brav. „Stets zu Ihren Diensten.“
    „Ich benötige Ihre Dienste nicht.
Niemand benötigt Ihre Dienste.“
    „Trotzdem kann ich nicht in die
Fremdenlegion eintreten. Erstens bin ich zu alt dazu, und zweitens liegt mir
das Gehorchen nicht so.“
    „Das heißt?“
    „Nichts. Solche kleinen unschuldigen
Bemerkungen mach ich immer so nebenbei. Nehmen Sie mir das nicht übel... Entschuldigen
Sie...“
    Ich zog mir einen Stuhl ran und setzte
mich. Dann holte ich meine Pfeife raus und stopfte sie in aller Ruhe.
    „Sie dürfen sich auch ruhig setzen und
rauchen“, ermunterte ich den Hausherrn.
    Er sprang einen Meter hoch.
    „Wie bitte?“ fragte er nach.
    Ich wiederholte meine Aufforderung. Er
stand vor mir, feuerrot im Gesicht.
    „Frech werden, was?“
    „Sehr frech“, sagte ich vornehm sanft.
„Und immer mit dem Kopf durch die Wand. Hat schon oft was draufgekriegt, der
gute alte Kopf. Ist aber immer noch intakt. Muß wohl an der schlechten Qualität
der Knüppel liegen…“
    „Ihre Manieren gefallen mir nicht“,
sagte mein Gastgeber.
    „Ihre gefallen mir noch viel weniger“,
gab ich zurück. „Ist das die vornehme Art? Sie bestellen mich zu sich. Ich bin
im Nu da, nett wie ich

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