Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: Innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (German Edition)
Es wurde in den folgenden Jahrhunderten mit Einflüssen aus dem Iran, aus Griechenland und aus Indien angereichert. Die im 4. und 3. Jahrhundert v.Chr. entwickelten alchimistischen Disziplinen sind möglicherweise ein Ergebnis der Wechselbeziehung zwischen China und Europa (aus Babylon stammten z.B. die Kenntnisse über die Zubereitung des Quecksilbers).
Um die Zeitwende entstanden große medizinische Werke, die nicht mehr existieren, aber in den Annalen aufgezählt werden, darunter die »Abhandlungen über das Sexualleben und die Hygiene« und die »Methoden und Rezepte für die Unsterblichkeit«.
Frühe Hinweise auf die Energiearbeit sind im Huang Di Nei Jing (»Des Gelben Kaisers Klassiker der Inneren Medizin«), dem klassischen Werk der chinesischen Medizin zu finden, das um 200 v.Chr. entstanden ist. In einem fiktiven Zwiegespräch zwischen dem legendären Kaiser Huang Di und seinem Leibarzt wird das tradierte Wissen vermittelt. Der Kaiser beklagt den allgemeinen Verfall der Gesundheit: »Man hat mir berichtet, dass die Menschen im frühen Altertum hundert Jahre lebten, ohne dass ihre Lebenskraft schwächer geworden wäre. Bei den Menschen von heute lassen die Kräfte schon mit fünfzig Jahren nach.« Der Arzt erklärt, dass dies an der falschen Lebensweise der Menschen läge; sie seien unersättlich und unbedacht, vermessen und verschwenderisch, überließen sich den Leidenschaften, erregten sich ohne Maß und erschöpften sich vor der Zeit. Und er beschreibt die ganzheitliche Lebensführung, die nötig ist, um die Gesundheit von Körper und Geist zu erhalten: richtige Ernährung und einfaches Leben, Vermeiden von Erschöpfung, Mäßigung der Triebe, Fernhalten von inneren Erschütterungen und »durch Ruhe und Konzentration das Qi kontrollieren«.
Für die Entwicklung der energetischen Übungen im Altertum hatte dieser Arzt eine interessante Erklärung: In den fruchtbaren Gebieten des mittleren China ging es den Menschen allzu gut; sie mussten wenig arbeiten und hatten dennoch eine große Fülle von Nahrungsmitteln. Dementsprechend bewegten sie sich zu wenig, aßen zu viel und litten an allen möglichen Gesundheitsstörungen. Also entwickelten sie verschiedene Übungen, um das Qi zu aktivieren und seine Verteilung im Körper harmonisch auszugleichen.
Andere klassische Werke nennen als Ursprung der Energiearbeit starke klimatische Veränderungen vor etwa viertausend Jahren, die zu Überschwemmungen und Temperaturschwankungen führten. Um den dadurch verursachten Erkrankungen der Muskulatur und Gelenke entgegenzuwirken, erfanden sie dynamische Übungen ( Wu ), die Vorläufer des heutigen Dong Gong.
Die große Blütezeit des Taoismus war die Han-Dynastie (spätes 3. Jh. v.Chr. bis frühes 3. Jh. n.Chr.). Der Arzt Hua Tuo, der im 2. Jahrhundert n.Chr. lebte, gilt als der Erfinder der Übungen des »Spiels der Fünf Tiere« (Wuqin Xi), die von typischen Bewegungen des Tigers, des Hirsches, des Bären, des Affen und des Vogels inspiriert wurden. Diese Übungen bildeten die Grundlage für die Entwicklung der Kampfkünste (Wushu) und gehören heute zu den bekanntesten Bewegungsformen des Dong Gong (Bewegungs-Qi-Gong). Hua Tuo werden auch anatomische Tafeln zugeschrieben, auf denen das Innere des menschlichen Körpers mit außerordentlicher Genauigkeit dargestellt ist. Möglicherweise verfügte er über die Kunst des »Röntgenblicks«, des inneren Sehens, das durch bestimmte Qi-Gong-Methoden trainiert werden kann.
Ein Zeitgenosse von Hua Tuo war der Alchimist Wei Boyang, dessen Werk Cantongqi – der schwer übersetzbare Titel wird mit »Dreifacher Einklang« oder »Dreifache Einheit« wiedergegeben – die Grundlagen der »Inneren Alchimie« des Taoismus enthält und auf das sich tausend Jahre später die große taoistische »Schule der Vollkommenen Wirklichkeit« bezog. Es gilt bis heute als eines der Basiswerke der Inneren Alchimie.
Hundert Jahre später erwarb Ge Hong unter seinem Beinamen Baopuzi (»Der Meister, der am Einfachen festhält«), einen ebenso großartigen Ruf als Alchimist und Weisheitslehrer wie als Pathologe. Der Beiname ist dem Titel seines berühmtesten Werkes entnommen – einem jener insgesamt 116 Bände, in denen er ein universales Wissen auf den Gebieten Philosophie, Morallehre, Medizin, Religion, Energiearbeit und Spiritualität zu Papier brachte. Im Kapitel »Yangshen« seines Werkes Baopuzi heißt es:
Der Mensch ist von Qi umgeben, und das Qi ist im Menschen. Himmel und Erde
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