Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: Innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (German Edition)
Übungsanleitungen, die in der Tradition der Geheimhaltung unterlagen und bisher in der VR China ebenfalls nur heimlich praktiziert und weitergegeben werden durften. Es ist auch die Rede von »übernatürlichen« Fähigkeiten, die durch Qi Gong geschult werden können, versehen mit dem Hinweis:
Die Praktizierenden müssen zuhöchst moralische Menschen sein, denn wenn jemand mit schlechten Absichten in den Besitz dieser Fähigkeiten kommt, wird er anderen Schaden zufügen. Deshalb wird die Essenz dieser Fähigkeiten in diesem Kapitel nicht enthüllt; es werden lediglich die äußeren Erscheinungsformen kurz beschrieben. [28]
Neu im Rahmen der chinesischen Qi-Gong-Literatur klingt auch der Hinweis auf die notwendige Voraussetzung, einen »erleuchteten Lehrer« zu finden, der den fortgeschrittenen Schüler führt, über ihn wacht und ihn zum angemessenen Zeitpunkt seiner Entwicklung in die höheren Übungen einführt. Dass dies aus der Feder eines offiziellen Würdenträgers der VR China kommt, gibt Anlass zu der Hoffnung, dass Qi Gong zu einem Faktor werden könnte, durch den die komplexe Tradition der Inneren Alchimie eine Renaissance erfährt. Damit ist aber auch der Konflikt programmiert; hatte schon der orthodoxe Konfuzianismus große Schwierigkeiten, die taoistische Geisteshaltung zu tolerieren, wird sie sich mit der rotchinesischen Ideologie vermutlich noch viel weniger in Einklang bringen lassen.
Die Formen des Qi Gong
Die taoistische Richtung des Qi Gong beinhaltet verschiedene Zweige, die man allerdings nicht genau voneinander trennen kann:
Wai Dan ist einer der beiden Hauptzweige, zu dem die Methoden der »Kampfkünste« gehören. Man rechnet das »Eisenhemd«-Qi-Gong und Übungen der »Spülung des Marks« dazu, auch die »Acht eleganten Übungen« (auch »Acht Brokatübungen«), die »Acht Seidenübungen«, »Das Spiel der Fünf Tiere«, Taijiquan und die vielen Bewegungsübungen des äußeren Qi Gong.
Nei Dan umfasst die Atemübungen und inneren Qi-Gong-Übungen; dazu gehören das »Stille Qi Gong« und Taiji Qi Gong. Innerhalb des Nei Dan gibt es weitere Aufteilungen in Übungen mit Bewegung (Dong Gong) , im Stehen, im Sitzen und im Laufen, Übungen des Nährens, Qi-Gong-Massage, das medizinisch angewandte therapeutische Qi Gong und die Methoden des Heilens mit Wai Qi.
In Anlehnung an die Tradition der Inneren Alchimie hat Lu Haixing folgende sechs »Wege« oder »Schritte« zusammengestellt:
Weg zum Erwachen und zur Erleuchtung (Ka Shi Fa) – meditative Übungen
Weg zum natürlichen Austausch (Tu Na Fa) – Übungen des Einsammelns von universalem Qi, Übungen des Aussendens von Qi zu Heilzwecken
Weg zum Dao Yin (Dao Yon Fa) – Bewegungsübungen, Übungen zur Zirkulation des Qi (»metaphysisches Dao Yin «)
Ergänzender Weg zur Kultivierung des Dao (Fu Xiu Fa) – Stehen, Gehen, Liegen, Sitzen in Meditationshaltung
Weg zur metaphysischen Diagnose (Shen Zhen Fa) – Übungen der inneren Visualisation, »Röntgen-Qi-Gong«, Handdiagnose
Weg zu übernatürlichen Fähigkeiten (Shen Ji Fa) – Übungen, die nur direkt vom Lehrer zum Schüler vermittelt werden
Innere Alchimie – die Basis des Qi Gong
Im Unterschied zur heute in China gebräuchlichen medizinisch-therapeutischen Auffassung des Qi Gong basiert die tradierte chinesische Innere Kunst auf einem ganzheitlichen Konzept, das körperliche und geistige Gesundheit, aber auch die charakterliche, künstlerische und spirituelle Kultivierung umfasste. Zum Bereich der Energiearbeit gehörten Körperübungen und Atemübungen, um den Qi-Fluss anzuregen, konzentrative Übungen des willentlichen Leitens des Qi durch die energetischen Kanäle zum Ausgleich von Yin und Yang, das Nähren mit universalem Qi und die kontemplativen Übungen der inneren Stille.
Die Wurzeln der chinesischen Methoden der Arbeit mit dem Qi reichen wahrscheinlich in vorgeschichtliche Zeit zurück. Manche Autoren sprechen von einer viertausendjährigen Tradition, andere datieren die Ursprünge sogar siebentausend Jahre zurück. Viele alte Werke des Taoismus beziehen sich auf das »goldene Zeitalter«, die legendäre Frühzeit der chinesischen Kultur, in der die Grundlagen des Yijing ( I-ching, I Ging, »Buch der Wandlungen«) entwickelt wurden.
Die ältesten taoistischen Texte, in denen auch das Material der chinesischen Ganzheitsmedizin enthalten ist, stammen aus dem 6. Jahrhundert v.Chr., doch das Wissen, das darin zusammengefasst ist, ist viel älter.
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