Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
Vom Netzwerk:
Händen. »Wunderbar, wunderbar! Das ist echte Bruderschaft!« Er atmete laut aus, entspannte sich erleichtert und sank auf eine Steinbank vor dem Kanal von Riddarholmen – ein Streifen schwarzen Eises, zerfurcht von Schlitten- und Schlittschuhkufen.
    Ich setzte mich neben ihn. Meine Oberschenkelmuskeln verkrampften sich vor Kälte, mein Hals brannte wie die entfachte Lunte eines Feuerwerkskörpers. »Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich mich vor ihr zu Boden werfe, Meister Fredrik, aber ich bin Spieler und kann Ihnen daher versprechen, dass ich zu bluffen verstehe.«

Kapitel 35

Der Patient
    Quellen: E. L., Frau M., Mikael M., Herr Pilo, verschiedene Apotheker und Ärzte der Stadt
    »In der brownianischen Krankheitslehre ist das eindeutig ein schweres Übel«, verkündete Pilo und blinzelte in das Licht der Öllampe, die er hochhielt, die Lupe lag glatt und seltsam kühl an meiner glühenden Wange. »Eine besorgniserregende eitrige Entzündung, die leicht den Gehörgang hinaufwandern, sich einnisten und schließlich das Gehirn angreifen kann.«
    Frau Murbeck japste hinter ihrem Taschentuch, wich zurück und wandte die Augen ab, als wäre allein schon mein Anblick ansteckend. Herr Pilo (»Doktor« kann ich ihn einfach nicht nennen) hatte eine große Knollennase, die aussah wie ein rotes, geädertes Reptil, das sich vor meinen Augen wand, als er dichter an mich heranrückte und die Lupe in meine Ohrmuschel schob. Ständig lutschte er englische Pastillen, die er sich aus einer Blechdose in den Mund steckte, doch unter dem Pfefferminzgeruch seines Atems konnte ich Alkohol riechen.
    »Wir müssen unverzüglich etwas unternehmen«, sagte er zu mir, »und mein kostbares Tonsillaris-Elixier verabreichen.«
    »Ja«, krächzte ich, meine Stimme war fast verschwunden. »In drei Tagen werde ich auf Gullenborg erwartet, und bis dahin muss ich wieder gesund sein.« Ich schwitzte, ich hatte Fieber, ich fühlte mich miserabel und wünschte mir nichts mehr als einen lindernden Balsam, der meinen brennenden Hals überziehen und mein Fieber senken würde. Ich brauchte nur selten ärztliche Hilfe, aber mein Anblick, meine Stimme und ein Ohnmachtsanfall an Frau Murbecks Tür hatten meine Vermieterin in Angst und Schrecken versetzt. Sie und ihr Sohn hatten mich die Treppe in meine Wohnung hinaufgetragen. Ich hatte ihr gesagt, dass sie mich allein lassen solle, dass sie und ihre Familie ihre Freundlichkeit noch bereuen würden, aber sie hatte mich laut ausgeschimpft und ihren Sohn zu ihrem Hausarzt geschickt.
    »Drei Tage lang dürfen Sie abends nicht ausgehen – vielleicht sogar nie mehr«, sagte Pilo fröhlich. Dann bat er um Feder und Papier und schrieb ein Rezept aus, das sofort in der Löwenapotheke eingelöst werden musste. Frau Murbeck rümpfte die Nase bei der Erwähnung dieses Geschäfts, aber sie war nicht in der Position, den gelehrten Mann zu kritisieren, der überdies zufällig ihr Schwager war. Trotz der späten Stunden und der Tatsache, dass Sonntag war, würde der Löwenapotheker beim ersten Klopfen mit harter Münze an die Fensterscheibe die Tür öffnen.
    »Ein Zaubertrank«, sagte Pilo und unterschrieb schwungvoll das Rezept. »Sie werden eine Menge schlafen, aber genesen und ausgeruht wieder erwachen. Die Fäulnis in Ihrem Rachen wird gebannt, der Nachtschatten wiederum beruhigt Ihre Körpersäfte und lindert Ihre Schmerzen. Darüber hinaus hat er das Gute, dass er jedes Geschwür in der Milz schrumpfen lässt.« Er reichte Frau Murbeck das Rezept und forderte sie auf, keine Zeit zu verlieren. »Unterdessen«, sagte er zu mir, »müssen Sie stündlich mit Salzwasser gurgeln – so heiß, wie Sie es aushalten können. Trinken Sie so viel Tee, wie Sie können – mit Weinbrand und Honig versetzt. Sie dürfen nur vom Bett aufstehen, um Blase und Darm zu entleeren. Und wechseln Sie die Laken, wenn sie durchgeschwitzt sind. Doch die wahre Heilung wird meine Tinktur bringen.« Augenzwinkernd überreichte er mir eine astronomische Rechnung für seine Dienste, und wenn ich mich nicht so krank gefühlt hätte, hätte ich heftig protestiert.
    Pilo packte seine Tasche und ging mit Frau Murbeck hinaus. Ich konnte ihre Stimmen im vorderen Zimmer hören, als er ihr die grauenvolle Geschichte eines Patienten mit einer ähnlichen Erkrankung erzählte, der durch seine liebevolle Fürsorge erst kürzlich dem Tod von der Schippe gesprungen war. Bald überkam mich der Schlaf, eine Art anfallartiger Schlummer mit angstvollem

Weitere Kostenlose Bücher